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Kultur: Heute kannst du was erleben

NEUE MUSIK

Man kennt sie, die Rituale, denen das Publikum bei Festivals für Neue Musik ausgesetzt sind: Durch ein Gestrüpp von modischer Technik und Bruchstücken des Multimedialen tastet man sich mühevoll zu dem vor, was der gemeine Hörer in seiner grenzenlosen Naivität als Musik bezeichnet. Bei der Kreuzberger Klangwerkstatt, veranstaltet vom Freundeskreis der Musikschule Friedrichshain-Kreuzberg unter der künstlerischen Leitung von Michael Beil, ging es schnell. Zwar gab es unmotivierte Videoproduktionen sowie elektronisches Gezirpe aller Art, und auch die Erfahrung, dass das höfliche Publikum niemals – wie in der Vergangenheit – Unmutsäußerungen von sich geben würde, ließ sich verifizieren. Spannende Akzente setzte vor allem das Ensemble Mosaik . Oliver Schnellers Trio für Akkordeon, Cello und Klavier kann den Einfluss französischer Musik nicht leugnen. Filigran entwickeln sich die Klangfarben der Instrumente, treten vorsichtig in Kontakt zueinander, verschmelzen für kurze Zeit. Atmosphärisches, vor allem die Glockenklänge des präparierten Klaviers, kontrastiert mit diskontinuierlichen Formverläufen.

Sebastian Claren hat eine Hommage an den romantischen Pianisten Charles-Valentin Alkan geschrieben, dessen Hang zu extrovertierter Klanglichkeit Claren mit modernen Mitteln weiterdenkt. Was Ernst Surberg dem Flügel entlockt, hat etwas Materialhaftes an sich, gleitet bei aller Massivität nicht ins Geräuschhafte ab, sondern evoziert das Klangspektum des Instruments auf wollüstige Art. „Kontur Stadt“ heißt das Ensemblestück von Stefan Streich : Die vielen Pausen und Tonrepetitionen irritieren zunächst, aber Streich findet die richtige Ereignisdosis, um ein faszinierendes Changieren zwischen Statik und Entwicklung zu erzeugen. Immer wieder wirft das Schlagzeug Impulsklänge ins Ensemble, und oft passiert daraufhin wenig. Doch die Situation bleibt unberechenbar, unerwartet reagieren die Mitspieler, Spannung entsteht beim Betrachten solcherart aufgeladener Statik.

Ulrich Pollmann

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