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Kultur: Hexe, Heilige

Kindersoldatendrama: „Rebelle“ im WETTBEWERB.

Das Erwartbare: ein afrikanisches Elendsdorf mit Fluss. Oder vielleicht ist das gar keine Siedlung der Not? Nur weil diese Hütten verkleidet sind mit den PVC-Abfällen der westlichen Kultur, wirken sie so grotesk-preisgegeben auf ihren Stelzen.

Auch hier kommen die Rebellen übers Wasser wie im Geiseldrama „Captive“, diesem Geschwisterfilm von „Rebelle“ auf dieser Berlinale. Doch es ist nur eine Geisel, von der Regisseur Kim Nguyen erzählt. Und hier bedeutet Entführtwerden nur eins: überleben. Die zehnjährige Komona (Rachel Mwanza) zahlt den Preis: Im Ohr den Schießbefehl der Eindringlinge, im Arm etwas Fremdes, ein Maschinengewehr, vor dessen Mündung ihre Eltern. Erst als der Vater seine Tochter losspricht – „Du gehörst jetzt zu ihnen!“ – löst sich die Spannung des Kindes auf. Sollen wir sagen: in Aktion?

Der Regisseur wollte wissen, was aus einer wie Komona wird. Dabei scheint schon die Sprache das Wort „Zukunft“ zu verweigern. Da ist nur noch etwas, das atmet. Mit dem Maschinengewehr im Arm.

Regisseur ist wahrscheinlich, wer das nie ganz glauben kann. Mit irgendeiner Seelenprothese lebt jeder. Regisseur ist, wer es dabei nicht belassen kann. Und so taucht Kim Nguyen immer wieder ein in die Vorstellungswelt Afrikas, in ein noch fast ungebrochenes magisches Bewusstsein. Alle Last, die später die Instanz zu tragen hat, die wir Gewissen nennen, wird hier oft noch nach außen abgegeben. Dass das Mädchen einmal als Einzige einen Angriff der Regierungssoldaten überlebt, macht sie in den Augen des Anführers zur Heiligen. Hexe und Heilige sind noch nicht getrennt.

Nguyen gibt Komona und mit ihr so vielen Kindersoldaten das zurück, was man ihnen genommen hat, indem er ihre Geschichte mit ihren Augen sieht. Das ist durchaus riskant, und dass „Rebelle“ dabei nie der Versuchung der Sentimentalität erliegt, ist vielleicht sein größtes Verdienst. Seine Sprödigkeit ist seine Schönheit. Kerstin Decker

18.2., 9.30 Uhr und 20.30 Uhr (Friedrichstadtpalast), 17.30 Uhr (Haus der Berliner Festspiele), 19.2., 19 Uhr (Berlinale-Palast)

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