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Jayne Mansfield mit ihrem Ehemann 1961 im Flughafen Berlin-Tempelhof.

© Heinz Köster/Deutsche Kinemathek/Berlinale

Highlights aus 70 Jahren Berlinale: Die Party, bei der Jayne Mansfield Skandal machte

Bald startet die 70. Berlinale. Wir erzählen die Highlights der Festivalgeschichte. Diesmal: die 60er – und ein Aufsehen erregender Busen.

Künstlerisch darf die Berlinale von 1961 als eine der besten überhaupt gelten. Den Goldenen Bären bekam Michelangelo Antonioni für sein Entliebungsdrama „Die Nacht“. Silberne Bären gingen unter anderem an Bernhard Wicki, Anna Karina und Peter Finch. Doch in die Annalen eingegangen ist dieser Jahrgang des damals noch im Sommer stattfindenden Filmfestivals als „Busen-Berlinale“.

In den Schatten gestellt wurden die Filme von einem Ereignis, dass mit dem Wettbewerb eigentlich nichts zu tun hatte. Die amerikanische Schauspielerin Jayne Mansfield war zwar als Stargast eingeladen, stellte aber keinen eigenen Film vor. Sie repräsentierte quasi nur sich selbst, in ihrer Eigenschaft als größte sogenannte „Sexbombe“ dieser Jahre. Wobei dieser herrenwitzartige Begriff mehr über die männlichen Blicke auf ihren Körper verrät als über ihre schauspielerischen Qualitäten.

Wenn das Boulevardblatt „B.Z.“ aus Anlass von Mansfields Auftritt in der Kongresshalle die „aufreizenden Seitenschlitze“ ihres Abendkleids beschreibt, „die alles ahnen lassen“, und urteilt: „ein Dekolleté, das den Männern den Atem raubt“, glaubt man noch heute ein gewisses Sabbern zu spüren. An der Oberfläche ist die Nachkriegszeit ziemlich verklemmt, aber darunter tun sich sexistische Abgründe auf.

Was in der Dekade der 60er noch geschah:

Der Tagesspiegel, bereits damals um Seriosität bemühte, ist moralisch entrüstet. Der Mansfield, diesem „künstlich hochgezüchteten Star aus den USA“, fehle es an „Ausbildung und Können“. Sie sei eher Kunz als Kainz (eine Anspielung auf den damals berühmten Bühnengott Josef Kainz) und Berlin nicht Cannes, wo sich bei den Filmfestspielen die Starletts am Strand entlang der Croisette für die Fotografen rekeln. Politisch aber spielt Mansfield im sich gerade zuspitzenden Kalten Krieg eine wichtige Rolle: Sie steht für Amerikas Verbundenheit mit dem akut bedrohten West-Berlin. „Selbst die geschmacklosesten Auswüchse der Freiheit“, befindet der Tagesspiegel, „sind immer noch mehr wert als die totale Unfreiheit hinterm Brandenburger Tor“.

Dass eine neue Ost-West-Krise heraufzieht, ist atmosphärisch bereits zu spüren. Als der Regierende Bürgermeister Willy Brandt Sondervorstellungen für Ostbesucher im Kino „Corso“ eröffnet, bekommt er begeisterten Applaus. Nur wenige Wochen, nachdem die Berlinale am 4. Juli endet, wird am 13. August die Mauer gebaut, die beide Stadthälften wie ein Axthieb voneinander trennt. Jayne Mansfield, die 1967 mit nur 34 Jahren bei einem Autounfall sterben sollte, verkörpert in dieser prekären Lage den freien Westen. Und der will natürlich sexy aussehen.

Die 50er: Der Tag, an dem Gary Cooper verschwand

Stell Dir vor, morgen startet Deine Berlinale, doch deren wichtigster Star ist verschollen. Untergegangen im Chaos, das wenige Straßen vom Festival entfernt tobt, entführt, verschleppt nach Sibirien.

Die Hektik, die am 17. Juni 1953 im Festivalbüro herrschte, stieg sprunghaft, als jemand ein Extrablatt hereinreichte: „Aufstand der Arbeiter in der DDR – Sowjetpanzer auf dem Potsdamer Platz".

Und sie erreichte den Siedepunkt, als Festspielleiter Alfred Bauer hereinstürzte: „Gary Cooper ist verschwunden! In Ost-Berlin!“

Tags zuvor war der Hollywood-Star angekommen, wollte der Familie die Orte seines Besuchs 1938 zeigen, steckte nun im sozialistischen „High Noon“ fest – der Super-Gau, eine bange Stunde lang. Dann waren Coopers wieder da, hatte sich in den Westen durchgeschlagen – so schilderte es Festivalsprecher Hans Borgelt damals.

Eine spannende Geschichte, charakteristisch für das vom Kalten Krieg geprägte Klima des ersten Berlinale-Jahrzehnts. Borgelts Bericht hat nur einen Mangel: Wahrscheinlich stimmt er nicht.

Tagesspiegel, „Morgenpost“ und „Telegraf“ berichteten übereinstimmend, dass Cooper – für seine Freunde „Coop“ – erst am 18. Juni in Tempelhof gelandet sei, von einer Riesenmenge empfangen. Die Begeisterung für Filmstars kannte noch keine Grenzen.

Aber ob wahr oder nur gut erfunden – die Geschichte steht für die auch politische Aufgeregtheit der frühen Jahre, in denen die Berlinale „nicht so sehr ein Fest als eine kulturelle Demonstration des freien Westens“ war, wie der Tagesspiegel über die Eröffnung im Gloria-Palast schrieb, die wegen der Teilung der Hauptstadt schlichter als geplant ausfiel.

Obwohl auch diese Einschätzung eher Wunsch als Wirklichkeit war. Denn der Starrummel tobte wie gewohnt, mit Menschenmassen auf dem Kurfürstendamm, die den Verkehr behinderten.

„Aber sie schrien keine politischen Parolen, sondern die Namen ihrer Kinolieblinge, und sie ballten nicht ergrimmt die Fäuste, sondern klatschten begeistert in die Hände“, so schilderte es Borgelt, diesmal d’accord mit den Presseberichten. Allein Cooper soll auf 250 Autogramme täglich gekommen sein.

Was in der Dekade der 50er noch geschah:

Aber auch ohne Mauer war die Stadt zweigeteilt, gerade während des Festivals. Ost-Berliner hatten keinen Zugang. Die Sektorengrenze blieb gesperrt und das Kino BLT in der Potsdamer Straße – heute Sitz des Varietés „Wintergarten“ – leer.

Für die dort gezeigten Filme stand in den Programmen ein das Publikum limitierender, nun fataler Hinweis: „Geschlossene Vorstellung für Ost-Berliner“.

All diese Aufregungen waren aber nicht der Grund für Bauers Rücktritt als Festivalleiter im selben Jahr. Schon gar nicht war es seine exponierte, geschickt kaschierte Funktion in Goebbels’ Reichsfilmintendanz.

Es ging um Vertragsstreitigkeiten, die Bauer nach Weihnachten 1953 die Konsequenzen ziehen ließen. Doch man einigte sich, kurz nach Neujahr war er wieder da. Andreas Conrad

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