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Kunstvolles Gefäß. Der Kazike ist ein Kalkbehälter. Der Kalk wurde mithilfe eines angefeuchteten Stäbchens entnommen.

© Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Asiatische Kunst/Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, digitale Reproduktion: Jester Blank GbR

Highlights für das Humboldt Forum: Das Gold der Quimbaya

Der prächtige Kazike wird künftig im Humboldt Forum zu sehen sein. Wir fragten Kustodin Manuela Fischer und zwei weitere Menschen, was das Objekt ihnen erzählt.

Es sieht aus wie pures Gold, wie ein edles Kunstwerk – aber der „Kazike“ aus dem vorspanischen Kolumbien ist keine Skulptur und auch nicht aus reinem Gold. Er ist ein Behälter für Kalk, und er besteht aus einer Legierung mit hohem Kupfergehalt. Noch heute benutzen indigene Gesellschaften in Südamerika Behälter, um den Kalk, der für das Kauen von Kokablättern gebraucht wird, darin aufzubewahren, sie bestehen heute aber aus Flaschenkürbis.

Kalk löst das Alkaloid aus den Kokablättern, erst dadurch entsteht die anregende Wirkung. Gekaut wurden und werden die Blätter unter anderem, um Hungergefühle, Kälte und Müdigkeit zu vertreiben. Außerdem wirken sie effektiv gegen die Höhenkrankheit und sind daher in den Anden weitverbreitet.

Aus dem Behälter in Form einer männlichen Figur wurde der Kalk mit einem angefeuchteten Stäbchen entnommen, das man von oben in den Kopf steckte. Dies verdeutlicht die Darstellung der zwei kleinen Kalkgefäße, die die Figur in den Händen hält. Hergestellt wurde sie um 500–700 nach Christus von den Quimbaya. Das außergewöhnlich prächtige Objekt wird im Humboldt Forum in der „Goldkammer“ zu sehen sein. Anders, als man vielleicht denkt, stammen die Goldobjekte nicht aus der Zeit der „Entdeckung“ Amerikas. Sie wurden vielmehr im 19. Jahrhundert zusammengetragen, als Bananenplantagen angelegt und Eisenbahntrassen gebaut wurden.

Wie viele der Goldschmiedearbeiten der Quimbaya ist der „Kazike“ im Hohlgussverfahren gearbeitet. Schaut man genauer hin, sieht man, dass der Körper zwar aus einem Guss hergestellt wurde, das Gussmodell aber aus mehreren Teilen zusammengesetzt worden ist: die Hände mit den Kalkbehältern, die Unterschenkel, die Füße mit der Standplatte und der Torso selbst. Körper und Kopf wurden separat gegossen und später zusammengelötet.

In den Minen von Buriticá wird noch heute Gold abgebaut

Auch die Oberfläche ist nicht einheitlich, an manchen Stellen ist sie rötlicher, an anderen Stellen goldener. Dies ist auf die Gold-Kupfer-Legierung zurückzuführen. Durch ein Vergoldungsverfahren, das „Mise-en-couleur“ genannt wird, konnte eine golden glänzende Oberfläche erreicht werden. Dazu wurde das stark kupferhaltige Objekt erhitzt und mit Säuren behandelt, die in Pflanzen vorhanden sind. Dadurch oxidierte der Kupferanteil, der dann mechanisch entfernt werden konnte.

Die Figur trägt ein Diadem, Ohr- und Nasenschmuck, typische Statussymbole eines Oberhauptes.
Die Figur trägt ein Diadem, Ohr- und Nasenschmuck, typische Statussymbole eines Oberhauptes.

© Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Asiatische Kunst/Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, digitale Reproduktion: Jester Blank GbR

Gold und Kupfer finden sich in den Andenkordilleren im Westen Kolumbiens. Die wichtigste Bergbauregion in vorspanischer Zeit waren dort die Minen von Buriticá, in denen noch heute Gold abgebaut wird. Die vorspanischen Bewohner von Buriticá lebten ausschließlich von der Gewinnung und Verarbeitung von Gold. Sie kontrollierten den Handel mit dem Edelmetall vorwiegend nach Norden bis an die Grenze zum heutigen Panamá. Die Quimbaya waren in Kazikentümern organisiert, das heißt in Gemeinschaften von bis zu 200 Einwohnern, mit Oberhäuptern, die Statussymbole besaßen, wie an dem dargestellten Kaziken gut zu erkennen ist: Er trägt ein Diadem, Ohrschmuck, Nasenschmuck, eine mehrmals um den Hals geschlungene Kette und Ligaturen an den Beinen.

Zu der Erwerbung gibt es nur wenig Information

1873 kaufte das damals gerade offiziell gegründete Königliche Museum für Völkerkunde den Kalkbehälter von Hermann Henrich Meier, einem Kaufmann aus Bremen. Zu dieser Zeit waren die Sammlungen noch Teil der ethnologischen Abteilung im Neuen Museum, das eigene Museum wurde erst 1886 eröffnet. Hermann Henrich Meier (1809–1898) stammte aus einer seit dem 16. Jahrhundert dokumentierten, angesehenen Familie von Gelehrten und Kaufleuten in Bremen. Der Bremer Hafen war in dieser Zeit das Tor für den Tabakimport nach Deutschland. Auch das Handelshaus Meier importierte Tabak aus den USA und Kolumbien, Petroleum, Häute und Felle aus Kolumbien und Venezuela.

Aus dieser Verbindung nach Kolumbien stammt möglicherweise auch der Kalkbehälter. Da der Ankauf aus dem Gründungsjahr des Königlichen Museums für Völkerkunde stammt, gibt es nur wenig Information zu dieser Erwerbung. Wir wissen lediglich, dass der goldene Kazike von Meier gekauft wurde. Wie er selbst zu diesem Stück gekommen ist, lässt sich nicht mehr rekonstruieren.

Manuela Fischer ist Kustodin der Sammlung Südamerika des Ethnologischen Museums.

„Ich sehe so viel von meinem Land in dieser Figur“

Der Kazike hält in den Händen zwei kleine Kalkbehälter. Die Bewohner der Anden brauchten sie zum Koka-Kauen.
Der Kazike hält in den Händen zwei kleine Kalkbehälter. Die Bewohner der Anden brauchten sie zum Koka-Kauen.

© Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Asiatische Kunst/Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, digitale Reproduktion: Jester Blank GbR

Sebastián Pimiento

Der Autor ist Stipendiat für Strategisches Design an der Design Akademie Berlin.

Dieser goldene Kazike symbolisiert für mich einen wichtigen Bestandteil der kolumbianischen Identität: Gold, also Reichtum. Gold und Reichtum sind so wichtig in unserer Kultur, dass sie in dem gelben Streifen repräsentiert sind, der die obere Hälfte unserer Nationalflagge einnimmt. Aber dieser Reichtum bleibt eine abstrakte Idee in einem armen Land, in dem die Ressourcen traditionell von wenigen Privilegierten monopolisiert werden – die Mehrheit der Kolumbianer hat keinen Anteil daran.

Der Kazike hält poporos in seinen Händen, Kalkbehälter für das Kauen von Kokablättern. Traditionell werden Kokablätter von der indigenen Bevölkerung gekaut, um Hunger, Müdigkeit und Höhenkrankheit zu bekämpfen. Aber der moderne Gebrauch von Koka, um Kokain zu produzieren, hat zu illegalem Handel und Drogenkriegen geführt, viele Leben gekostet und das Bild von Kolumbien im Ausland negativ geprägt. Als kolumbianischer Industriedesigner bewundere ich den Detailreichtum des Kaziken und die großartigen Fähigkeiten der Quimbaya-Goldschmiede. Sie haben die typischen Gesichtszüge der indigenen Kolumbianer festgehalten.

Ich sehe so viel von meinem Land in dieser Figur. Ich sehe unsere Wurzeln und den Reichtum, der so ungerecht verteilt ist. Ich denke an all die Menschen, die in Armut leben. Ich sehe auch mich selbst und viele andere, die versuchen, für das Land neue Möglichkeiten zu entwickeln. Aber vor allem sehe ich die Kreativität und die herausragenden Fähigkeiten, die wir haben, um eine gerechtere Gesellschaft aufzubauen.

„Der linke Fuß hat sechs Zehen – ob das Absicht war?“

Benjamin Böhlke

Der Autor ist Schmuckdesigner in Högsdorf/Holsteinische Schweiz, verkauft aber auch in Berlin.

Die Figur wirkt auf mich sehr würdevoll und so, als hätte sie bei spirituellen Zeremonien Verwendung gefunden. Auf bestimmte Details wurde viel Wert gelegt: die geschlossenen Augen, der Nasen- und Kopfschmuck, die Gefäße in den Händen. Auf andere wiederum weniger: Die Füße etwa sind nur angedeutet, und der linke hat sechs Zehen! War das Nachlässigkeit oder Absicht? Auch die Proportionen sind merkwürdig, der Körper im Vergleich zum Kopf sehr klein.

Selbst an den Beinen trägt der Kazike Schmuck.
Selbst an den Beinen trägt der Kazike Schmuck.

© Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Asiatische Kunst/Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss, digitale Reproduktion: Jester Blank GbR

Der Kazike erinnert mich an meine Arbeitsweise: Für meinen Schmuck nutze ich das Wachsausschmelzverfahren, um zunächst einen Grundkörper zu gießen. Danach arbeite ich weitere Details heraus und füge Ergänzungen hinzu. Ich verwende Naturobjekte wie Blätter, Samen oder Muscheln, forme sie in Silikon ab und fülle die entstandene Form mit Wachs. Dieser Wachskörper wird dann in der eigentlichen Gussform eingebettet, durch Erwärmen ausgeschmolzen und der Hohlraum mit dem flüssigen

Metall für den Schmuck gefüllt. Danach löte ich Details an – so, wie es wohl auch der Künstler des Kaziken getan hat.

Protokoll: Silke Zorn

Die nächsten Termine

Noch bis Mai 2019 stellt das Humboldt Forum 15 Highlight-Objekte vor, die die Vielfalt der künftigen Sammlungen widerspiegeln – in Gesprächen und einer Ausstellung auf der Museumsinsel und am Kulturforum.

Der Kazike ist bis zum 26. Mai im Museum für Vor- und Frühgeschichte im Neuen Museum zu sehen (Bodestraße 1–3, 10178 Berlin, 3. OG, Abteilung Bronzezeit), später im 2. Stock des Humboldt Forums.

Der nächste Termin:

Vishnu, Zeus & Co

Donnerstag, 31. Januar, 19.30 Uhr, Altes Museum

Erlebt – Erzählt – Behauptet
Montag, 18. Februar 2019, 19.30 Uhr, Revolutionszentrum Podewil, Klosterstr. 68, 10179 Berlin

Weitere Infos und Anmeldung für reguläre Tickets im Internet unter humboldtforum.com/highlights.

Manuela Fischer, Sebastián Pimiento, Benjamin Böhlke

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