zum Hauptinhalt

Kultur: Himmlisch

Es ist alles eine Frage der Stimmung.In der Zeit vor Bach, als es den wohltemperierten Kompromiß der mathematisch und akustisch reinen Intervalle noch nicht gab, klangen die physikalischen Konsonanzen noch himmlischer, die Dissonanzen noch teuflischer.

Es ist alles eine Frage der Stimmung.In der Zeit vor Bach, als es den wohltemperierten Kompromiß der mathematisch und akustisch reinen Intervalle noch nicht gab, klangen die physikalischen Konsonanzen noch himmlischer, die Dissonanzen noch teuflischer.Komponisten des 17.Jahrhunderts wie die Thomaskantoren Johann Schelle, Johann Kuhnau und Beinahe-Thomaskantor Johann Rosenmüller haben sich dieser harmonischen Farben zur Textausdeutung bedient, wo von Gnade, Engeln und Himmelreich, von Sünde, Satan und Finsternis die Rede ist.Auf modernen Instrumenten ist die Reinheit jener Klangwelt nicht zu realisieren.Darum haben sich Götz Teutsch und vier seiner Kollegen von den Berliner Philharmonikern für ihr Programm Geistlicher Konzerte des 17.Jahrhunderts im Kammermusiksaal mit Liebe daran gemacht, unter Anleitung Andrea Kellers von Concerto Köln die historische Spielweise ihrer Instrumente neu zu studieren.Zusammengetan haben sie sich dabei mit Konrad Junghänels Cantus Cölln, einem Vokalensemble, das wie wenige in dieser Literatur erfahren ist.

In ihren ariosen Teilen bewegen sich die sieben ausgewählten Vokalkonzerte, Spitzenwerke allesamt, bereits mächtig auf die spätere Kantaten-Form Bachs zu.Elisabeth Popien nutzte die Jesus-Meditation des Kuhnauschen Konzerts "O heilige Zeit", ihren gut fokussierten Alt locker und natürlich durch die Ausdruckswelt meditativer Nuancen zu führen.Als extravertiertes Opernduett für Sopran und Baß gestaltete Johann Rosenmüller seine Antiphon zu Ehren der Hl.Jungfrau Maria "Regina coeli".Johanna Koslowsky und Stephan Schreckenberger machten mit reichem Koloraturenschmuck deutlich, daß leicht geführte Stimmen keineswegs des Ausdrucksreichtums entbehren müssen.Johann Schelle wechselt Besetzung und Stimmung in "Ach, mein herzliebes Jesulein" und "Das ist mir lieb" von Vers zu Vers, während Dietrich Buxtehudes "Herzlich lieb hab ich dich, o Herr" gleichzeitig archaischer und moderner wirkte, verwendete er doch Martin Schallings Kirchenlied von 1571, dessen dritte Strophe Bach-Freunde als Schlußchoral der Johannespassion kennen und lieben.Die Intensität, die Philharmoniker und Spezialisten entfachten, die Schönheit und Qualität des Dargebotenen lassen auf Fortsetzung der Zusammenarbeit hoffen.

BORIS KEHRMANN

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false