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Kultur: Himmlische Hüpfer

Was eine Kunsthalle kann: Düsseldorf erinnert an seine wilden Jahre und will Vorbild für andere sein

Was wird aus Wolkenkuckucksheim? Gedankenleicht schweben soll es, das so engagiert angegangene Berliner Kunsthallenprojekt. Mag seine erdachte Wolkenform auch in erster Linie aus den Möglichkeiten des vorgesehenen Leichtbauverfahrens resultieren, so erinnert es gleichwohl an die himmlische Stadtvision des griechischen Dichters Aristophanes: ein Zwischenreich erbaut von den Vögeln. „Zwischenreich“ – das ist für den Schlossplatz eine gut zwei Jahre dauernde Phase, begrenzt vom vollendeten Abriss des Palasts der Republik und dem Neubaubeginn des Humboldtforums.

Doch passt eine Wolke wirklich als Symbol für die vom Marktgeschehen geprägte Kunstrealität und dem städtischem Hadern um die Finanzierung des Vorhabens? Vielleicht wäre ein Gebäude in Form eines Geldschranks aus Beton angemessener. Jenen architektonischen Brutalismus erlaubte man sich vor 40 Jahren im Zentrum Düsseldorfs, als es galt, einen Ort für das legendäre „Kom(m)ödchen“, den Kunstverein und eine wieder zu gründende Kunsthalle zu schaffen.

Die Argumente für die Kunsthalle glichen den heutigen für das Berliner Vorhaben: Noch-nicht-Museales sollte gezeigt werden, Ausstellungen, die sich dem aktuellen Schaffen in der Stadt öffnen. Jenes Aktuelle wirkte in Düsseldorf damals in der Kunstakademie. In den Klassen von Joseph Beuys saßen viele, die in den kommenden Jahren die Kunst entscheidend prägen sollten – unter ihnen Jörg Immendorf, Norbert Tadeusz, Blinky Palermo, Imi Knoebel, Anselm Kiefer.

Doch begeht die Kunsthalle ihren 40. Geburtstag nicht im Glanz dieser Namen. Stattdessen illuminiert sie unter dem Titel „Between – Chronik einer Nicht-Ausstellung“ einen historischen Zwischenraum. Von 1969 bis 1973 nutzte man kurze Phasen des Leerstands zwischen den regulären Ausstellungen, um, stets auf wenige Tage begrenzt, neue Formen der Kunstpräsentation zu wagen. Als Studenten im Januar 1969 die Vernissage einer Minimal-Art-Ausstellung erstürmten, um eine demokratischere Kunst zu fordern, setzten sie einen Prozess in Gang, der schnell zu „Between“ führte. In einem Gespräch zwischen dem britischen Künstler Tony Morgan und Jürgen Harten, damals Assistent an der Kunsthalle, wurde das Konzept fixiert und rasch umgesetzt.

Tatsächlich öffnete sich die Kunst. Bei „Between1“ konnten Besucher das Entstehen der Werke mitverfolgen. Anatol bastelte, Tony Morgan ließ Falbe tropfen, und Gotthard Graupner installierte seinen Nebelraum. Den gibt es nun wieder zu begehen. Andere Werke des interaktiven Erlebens folgender „Betweens“ wie etwa Klaus Rinkes bühnenartige Arbeit „Zwischenmenschliche Beziehungen“ verbleiben als Bilddokument oder als seltsam unbelebte Installation.

Gleichwohl genügt eine Replik der als „Riesenbillard“ betitelten Hüpfburg der Wiener Architektengruppe Haus-Rucker-Co, um an einstiges Besuchervergnügen wieder anzuknüpfen. Auf den Teilnehmerlisten der sieben „Between“-Ausstellungen befanden sich am Ende unter anderem Marcel Broodthaers, John Latham, Bazon Brock, Robert Filliou, Günther Uecker, Gilbert & George, Katharina Sieverding, Kraftwerk und Immendorf.

Nicht jeder Kunsthalle ist es vergönnt, solche glorreichen Zeiten dokumentieren zu können, im institutionellen System eine wache Aufmerksamkeit für den Moment zu pflegen. Wer die Düsseldorfer Retrospektive mit Freuden gewürdigt hat, mag sich über die aktuellen Kunsthallendiskussionen wundern. Während man sich im benachbarten Köln für das Projekt „European Kunsthalle“ mit den Ausstellungen „Modelle für Morgen“ und „Köln Show 2“ für eine neue Halle engagiert, diskutiert Berlin über „Wolke“ oder „White Cube“ auf dem Schloßplatz. Den städtischen Verantwortlichen in Berlin wie Köln sei empfohlen, die Reise nach Düsseldorf anzutreten, um ein mögliches Vorbild zu studieren.

Kunsthalle Düsseldorf, bis 9. April, Katalog (Reimer Verlag) 49 Euro.

Oliver Tepel

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