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Schnee, der auf Akrobaten fällt. Das interaktive Videodesign stammt von Frieder Weiss.

© Chamäleon/Carolin Saage

Hingehen: "Dummy lab" im Chamäleon: Im Pixelschneegestöber

Im Chamäleon startete jüngst die Show "Dummy lab". Die coole Varietéshow verbindet Tanz, Akrobatik und einen aufregenden Look.

Es soll ja immer noch Leute geben, die Varieté für eine piefige Angelegenheit halten. Old-School-Amüsemang eben. Zauberer mit Karnickel im Hut, Keulenjongleur, Pudel-Dressur, Clown mit roter Nase. Gähn. Ja, weit gefehlt, liebe Schlaumeier! "Dummy lab", der jüngst gestartete Spin-Off der Show „Dummy“, die vor zwei Jahren im Chamäleon in den Hackeschen Höfen lief, ist eine ausgesprochen coole Veranstaltung. Klassische zirzensische Disziplinen wie Kontorsion (vulgo: Schlangenmensch, genauer: eine erstaunlich biegsame Schlangenmenschin namens Leilani Franco) oder Akrobatik an der „Pole“ genannten Stange kommen durchaus vor, aber vor allem – ein stylishes Videodesign (Frieder Weiss), das mit seinem Pixelschnee, seinen interaktiven Schemen und Schlieren die Körper der auf einer schieben Bühnenebene agierenden Akrobaten verfolgt, umschließt und abstrahiert. Ein dynamischer Elektrosound mit Gesang (Reecode), dessen düsterer Sog den Clubsound der Achtziger und Neunziger zitiert. Stroboskop-Geflacker wie einst im Techno-Club. Und einen berlinischen Look, der mit kargem Bühnenbild und angestaubten Nicht-Kostümen das Schmuddelimage der Stadt reflektiert.

Das wahrhaft Moderne an „Dummy lab“ aber ist die gelungene Verschmelzung von Tanz und Akrobatik, die der 1989 geborene Artist und Tänzer Eike von Stuckenbrok, der zusammen mit seinem Mentor Markus Pabst Regie geführt hat, in all seinen Arbeiten pflegt. Das nimmt der Show den Charakter einer varietétypischen Nummernrevue, obwohl es durchaus welche mit Hula-Hoop-Reifen oder Bungee-Bändern gibt. Die gleitende Choreografie und die von einer Cellistin (Lih-Qun Wong) verstärkte Musik mindert die Brüche zwischen den Disziplinen und schafft einen elastischen, nachhallenden Rahmen. Auch wenn es zu breit ausgewalzte Einfälle wie den Tanz mit einer heruntergepflückten Deckenlampe oder das Taschenlampengefunzel im Bühnennebel gibt und die Show daswegen in der zweiten Hälfte etwas Spannung verliert, ist „Dummy lab“ taffe, künstlerisch überzeugende Unterhaltung. Mit einem unaufdringlichen Berlin-Appeal, der überall in der Welt auch jenseits des Touri-Hotspots Hackesche Höfe verstanden wird. Und einem wunderschönen Schlussbild, in dem sich die Leuchtschemen mit den Körpern vereinen.

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