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Kultur: Hinter der Maske

„Africa Remix“: Das Düsseldorfer Museum Kunstpalast zeigt die Kunst des schwarzen Kontinents

Der flotte Titel führt in die Irre und passt doch zur Düsseldorfer Ausstellung. Mit Musik hat „Africa Remix“ wenig gemein; aber gleichermaßen wie in der DJ-Culture „remixt“ sie Kunstwerke miteinander – erstmals aus allen afrikanischen Staaten. Fast 90 Künstler präsentieren Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen, Assemblagen, Installationen, Videos, Fotografien. Diese gewaltige Übersicht zeitgenössischer afrikanischer Kunst startet nicht ohne Grund ihre internationale Tournee in Düsseldorf: Museumsdirektor Jean-Hubert Martin hatte vor 15 Jahren in „Magiciens de la Terre" (Zauberer der Erde) erstmals Künstler aus der „Dritten Welt“ und dem Westen gemeinsam ausgestellt. Die anschließende Diskussion, ob es dort überhaupt Kunst jenseits von Folklore gebe, führte langfristig zur Berufung eines außereuropäischem Kurators als Leiter für die Documenta X.

Anders als in Kassel, wo der Nigerianer Okwui Enwezor einen postkolonialistischen Diskurs betonte und mit „The Short Century“ eine Kulturgeschichte der afrikanischen Modernisierung inszeniert hatte, kommt in Düsseldorf die Kunst allein zu Wort. Ein internationales Komitee hat den in Lausanne aufgewachsenen Kameruner Simon Njami, Chefredakteur der „Revue Noire“ in Paris und Leiter der Biennale von Bamako in Mali, mit der Ausrichtung betraut. Er erklärt klipp und klar, dass er „eine Ausstellung afrikanischer Kunst und nicht über Afrika“ zeigen will. So hat er sämtliche Künstler in ihren Ateliers aufgesucht und nur Beiträge der letzten zehn Jahre ausgewählt. Die meisten Teilnehmer leben längst im westlichen Ausland, nur ein Teil arbeitet in seiner Heimat. Selbst dem informierten westlichen Besucher sind nur wenige bekannt, darunter Frédéric Bruly Bouabré, Chéri Samba, William Kentridge, David Goldblatt oder Bodys Isek Kingelez.

Natürlich trifft man im Kunstpalast auf zahlreiche Arbeiten, die rohe Technik auszeichnet und von Populärkunst geprägt sind. Allerdings nimmt die Unterschiede nur wahr, wer die westlichen Klischeevorstellungen vergisst: etwa zwischen dem reizenden gebastelten Flugzeugmodell des Autodidakten Titos ( Mosambik), dem Maskenturm aus Benzinkanistern von Romuald Hazoumé (Benin) und dem Teppich aus Flaschenverschlüssen von El Anatsui (Nigeria). Während Titos isoliert arbeitet, aktualisiert Hazoumé afrikanische Stereotypen, und El Anatsui knüpft als Professor für Bildhauerei an die lokale nigerianische Textiltradition an. Er ist in seiner Umgebung allein wegen der aufwändigen Arbeit im Atelier und den häufigen westlichen Besuchern eine Art mythische Respektperson geworden.

Das breite Spektrum des afrikanischen Kunstschaffens kann in Düsseldorf nur angedeutet werden. Es reicht von einem Maler wie Cyprien Tougoudagba (Benin), der sich am Voodoo-Kult inspiriert, bis hin zu den afrikanischen Künstlern in der „Diaspora“, die im direkten Austausch mit westlicher Kultur arbeiten. Durch sie sind konzeptuelle und dokumentarische Positionen vertreten: etwa die von Meschac Gaba, der recherchiert hat, wie man im Benin französische Baguettes backt und Brotstangen in einem Regal aufstapelt, oder von Zineb Sedira, die in einer Videoarbeit ihre Eltern zum Algerienkrieg befragt. Der in London geborene Yinka Shonibare, ein Künstler nigerianischer Abstammung, staffiert einen viktorianischen Salon mit afrikanischen Stoffen aus – die Wirkung der kulturellen Melange ist frappierend.

Eine Ausstellung, die Kunst eines ganzen Kontinents versammelt, kann nur so unüberschaubar sein wie die künstlerischen Temperamente, ihr ethnischer, geographischer und intellektueller Hintergrund. Trotz dieser Vielfalt haben die Ausstellungsmacher einen gelungenen Parcours inszeniert. Zur visuell ansprechenden Choreographie trägt besonders die Ausstellungsarchitektur bei, die erstmals den problematischen Bau des Kunstpalasts vergessen lässt. Der Wanderausstellung, die noch in London, Paris und Tokio gezeigt wird, ist eine eigene Station in Afrika zu wünschen.

Museum Kunstpalast, Düsseldorf, bis 7. November; Katalog 29,90 Euro, gebunden 49,80 Euro.

Michael Krajewski

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