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Die Solidarität ist dieser Tage groß. Wie belastbar sie ist, wird erst die Umverteilungsdebatte zeigen.

© Martin Remmers/dpa

Höhere Steuern, weniger staatliche Leistungen?: Nach der Verschuldung in der Coronakrise kommt die große Umverteilungsdebatte

Die Debatte um höhere Steuern und weniger staatliche Leistungen wird kommen. Dann zeigt sich, wieviel Gemeinsinn übrig ist. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Viele Menschen loben zur Zeit die neue Solidarität der Gesellschaft. Sie hoffen, dass Fürsorge und Freundlichkeit nicht verschwinden, wenn die Corona-Krise vorbei ist. Diese Optimisten sollten ihre Gebete vor allem der Finanzpolitik der kommenden Jahre widmen. Denn hier wird sich entscheiden, wie es um Gemeinsinn und Solidarität wirklich bestellt ist. 

Die Staatsverschuldung wird in diesem Jahr einen gewaltigen Sprung machen: von knapp 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf rund 80 Prozent des Wertes aller in einem Jahr in Deutschland erwirtschafteten Waren und Dienstleistungen. Das allein muss noch nicht besorgniserregend sein: In der Finanzkrise explodierte der Schuldenstand schon einmal – damals auf fast 80 Prozent. Wirtschaftswachstum und die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank sorgten anschließend für die Gesundung der Staatsfinanzen. 

Die Debatte über höhere Steuern wird kommen

Solange genug Anleger glauben, dass die Bundesrepublik ein guter Schuldner ist, kann es diesmal ähnlich laufen. Allerdings: Die Deutschen mögen gute Schuldner sein, doch wenn sich alle anderen auch um das Geld der Anleger bewerben,  kann das über kurz oder lang auch für den besten Schuldner zu höheren Zinsen führen.   

Spätestens dann – wahrscheinlich schon lange vorher - wird es eine neue Diskussion über höhere Steuern, höhere Sozialabgaben, weniger staatliche Leistungen geben. Die große Umverteilungsdebatte beginnt. Wie die ausgeht, hängt auch davon ab, wieviel Solidarität noch übrig ist. Geht die Sache schief, gibt es einen neuen Schub für die politische Polarisierung und Entfremdung. Ein warnendes Beispiel dafür ist die Finanzierung der deutschen Einheit. 

Über die Rechnung der Corona-Krise muss offen gesprochen werden

Ob sich die wirtschaftlich Leistungsfähigen, die gut besoldeten Beamten, die Vermögenden, die Wohlhabenden unter den Rentnern und Pensionären (zu deren Schutz jetzt ganz Deutschland zuhause bleibt) in die Pflicht nehmen lassen, hängt auch davon ab, ob offen über die Rechnung gesprochen wird. Nach der deutschen Einheit dauerte es fünf Jahre, bis die Regierung zugab, dass die zusätzliche Last nur mit höheren Steuern zu stemmen war. Da war die Freude über Mauerfall und  Einheit längst der wirtschaftlichen und sozialen Anpassungskrise gewichen. 

Diesmal kann man es besser machen. Man kann? Man muss.  

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