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HÖREN: Wagner ganz ohne Popcorn

Jetzt, da alles hyperventiliert wegen Wagners 200. Geburtstag, denke ich besonders gern an meine letzte Wagner-Erfahrung zurück.

Jetzt, da alles hyperventiliert wegen Wagners 200. Geburtstag, denke ich besonders gern an meine letzte Wagner-Erfahrung zurück. Ich wohnte einer Bayreuther Aufführung des „Parsifal“ bei, nicht in Bayreuth selbst, sondern in einem Kino am Potsdamer Platz. Es war ein sehr feines Kino, klimatisiert, mit großen Chefsesseln, ohne Popcornkrümel oder leeren Flaschen im Getränkehalter. Und während auf der Leinwand zu sehen war, wie eng das Publikum im Festspielhaus saß und wie brüllheiß es zu dieser Zeit im Oberfränkischen war, stellte ich mir grundsätzliche Fragen. Der „Parsifal“ ist schließlich nicht die Tritschtratschpolka. War es in Ordnung, die Beine hochzuschlagen und Cola zu trinken? Hans von Bülow hatte einst schwere Rügen ausgeteilt, wenn das Publikum nicht hochkonzentriert zuhörte, und Arnold Schönberg betonte, wie sehr das Werk den Hörer braucht und „jeder Kunsteindruck ein von der Phantasie der Zuhörer Geschaffenes“ ist. An diesem Abend herrschte trotzdem große Aufmerksamkeit. Kein Knistern oder Knutschen, keine Meuterei nach sieben Stunden Aufführungsdauer. In den Pausen standen die Leute zusammen wie auf einer Cocktailparty, euphorisch, erschöpft.

Heute Abend ist es wieder so weit. Die Philharmoniker spielen unter Claudio Abbado Mendelssohns „Sommernachtstraum“ und Berlioz’ „Symphonie fantastique“, das Konzert ist seitMonaten ausverkauft. Wer in eines von fünf Berliner Kinos geht (Informationen: www. berliner-philharmoniker.de), kann es trotzdem hören, Cola trinken, sich unbeobachtet vorkommen und einen tollen Abend erleben.

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