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Kultur: Hoffnung für ein Zonenrandkind

Das 20.Jahrhundert ist nicht gerade sanft mit den Preußischen Schlössern in Berlin und Potsdam umgegangen.

Das 20.Jahrhundert ist nicht gerade sanft mit den Preußischen Schlössern in Berlin und Potsdam umgegangen.Den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs folgte die der Nachkriegszeit.In den fünfziger Jahren wurden die Stadtschlösser in Berlin und Potsdam aus politischen Gründen gesprengt.Den vielen kleineren Landhäusern und Schlössern aus dem Besitz der preußischen Herrscher erging es kaum besser.Schloß Paretz, einst Lieblingssitz der Königin Luise, diente zu DDR-Zeiten zur Mastbullenzucht.Andere Denkmäler fielen in sich zusammen wie die kriegsbeschädigte Gotische Bibliothek im Neuen Garten, bis sie zwischen dem wuchernden Schilf am Ufer des Heiligen Sees fast aus der Erinnerung verschwand.

Es bedurfte eines enormen Kraftaktes der 1995 aus der Taufe gehobenen "Stiftung Preußische Schlösser und Gärten BerlinBrandenburg", sich neben den Glanzstücken in Sanssouci und Charlottenburg auch der maroden Bausubstanz der anderen Schlösser anzunehmen und sie für die Besucher "zumindest eingeschränkt" wieder zugänglich zu machen.Dem Flatowturm und der Gerichtslaube im Park Babelsberg, der Bildergalerie in Sanssouci, den Restaurierungen in Schloß Rheinsberg und dem Marmorpalais am Heiligen See folgten 1998 die Gotische Bibliothek und das Schloß Caputh.Der vielfach ruinöse Zustand der Bauten forderte beispielsweise bei der Gotischen Bibliothek einschneidende Maßnahmen.Um die Substanz des Sandsteinbaus insgesamt zu schonen, wurde die schief stehende Ruine Stein für Stein abgetragen, um dann auf gesichertem Grund aus den gleichen Steinen wieder zusammengesetzt zu werden.Fehlstellen wurden deutlich ablesbar ergänzt.Dabei handelte es sich sicher um einen Grenzfall denkmalpflegerischer Praxis, der dementsprechend heftig umstritten war.

Doch nicht nur in der DDR ließ nach 1945 der Umgang mit dem historischen Bauerbe der Hohenzollern zu wünschen übrig.In West-Berlin bot neben der Pfaueninsel nur Schloß Glienicke eine ferne Ahnung von der einzigartigen Schönheit der Potsdamer Gartenlandschaft.Das Casino in Glienicke, hoch über dem Havelufer gelegen, bietet bis heute an milden Sommerabenden eine einzigartige Kulisse.Sicher der romantischste Ort, um einen Sonnenuntergang in Berlin zu erleben.Karl Friedrich Schinkel, der Glienicke seit 1824 für den Prinzen Carl als Potsdamer Sommersitz ausgebaut hatte, verstand es auf geniale Weise, italienische Atmosphäre in den märkischen Sand zu übertragen.Doch trotz seiner Einzigartigkeit für West-Berlin war der Umgang mit Schloß Glienicke wenig liebevoll.Die Nutzung als Hotel und Restaurant haben bis heute schmerzhafte Spuren in der Bausubstanz hinterlassen.Erst im Rahmen der 750-Jahrfeier 1987 wurden Teile von Schloß Glienicke mit einer großen Ausstellung als Museum für die Berliner zurückgewonnen.Vorbildhaft revitalisierte die Gartendenkmalpflege den von Peter Joseph Lenné entworfenen Pleasure-Ground.

Im Schloß hatte sich wenig originale Substanz der Schinkelzeit erhalten.Ein neuer Eingangstrakt für die Hotelnutzung verunklärt bis heute die eigentliche Eingangssituation zum Schloß.Die Innenausstattung Glienickes ist ebenso verloren wie die kraftvolle Farbigkeit der Wände.Anhand von Vorbildern des Potsdamer Schlosses Charlottenhof, das annähernd zeitgleich von Schinkel entworfen wurde, konnte sie rekonstruiert werden.In den Sommermonaten lädt das Schloß seine Besucher an Wochenenden ein, regelmäßige Konzerte gewähren auch im Winter Zugang zu den intimen Räumlichkeiten.

Allerdings kündet die große Restaurantküche aus den fünfziger Jahren noch heute von dem äußerst unsensiblen Umgang mit dem Schinkelbau.Ähnlich grob war man mit dem ebenfalls für die Hotelnutzung umgebauten Kavalierhaus verfahren.Es bildet die rückwärtige Begrenzung des quadratischen Innenhofs von Schloß Glienicke, dem sich die Remise anschließt - inzwischen ein vielbesuchtes Nobelrestaurant.Das Kavalierhaus, das von einem malerischen Turm überragt wird, diente im 19.Jahrhundert als Marstall.Im Erdgeschoß waren Pferdeställe untergebracht, im ersten Obergeschoß befanden sich Wohnräume.Noch vor der Wende 1990 wurde unter dem damaligen Schlösserdirektor Jürgen Julier mit einer umfangreichen Bauuntersuchung des Kavalierhauses begonnen.

Das Ergebnis war verblüffend: Unter der Überbauung der Nachkriegszeit hat sich die originale Bausubstanz fast vollständig erhalten.Nicht nur die Zinkgußkapitelle und der Backsteinboden im Fischgrätmuster waren noch vorhanden, selbst die lediglich mit Putz beworfenen Trennwände aus Holz und Stroh kamen im Obergeschoß wieder zum Vorschein.Dann kam die Wende und mit ihr erstarb die weitere Planung für das Kavalierhaus, das als gut gesicherte Bauruine bis heute liegengeblieben ist.Um das Gebäude mit neuem Leben zu füllen, reichen die finanziellen Mittel der Stiftung nicht aus.Zwischen 1,5 und 2 Millionen Mark stehen ihr gemäß dem 1994 zwischen Bund und den Ländern Berlin und Brandenburg geschlossenen Stiftungsvertrag für sämtliche ehemals preußischen Schlösser in Berlin zur Verfügung.Das reicht nur für den notwendigsten Bauunterhalt.Für größere Baumaßnahmen, wie die Herrichtung des Kavalierflügels oder den Rückbau der Küche im Hauptgebäude, sind Finanzmittel in anderer Größenordnung erforderlich.

Mit gut 4,2 Millionen DM beziffert Martin Herborn, Baudirektor der Stiftung, die Kosten für die denkmalgerechte Herrichtung des Kavalierhauses.Inzwischen verhandeln der Bund und die beiden Länder über eine Neuregelung des Finanzierungsabkommens, um die Berliner Schlösser besser zu stellen.Für das Jahr 2000 rechnet Herborn mit dem Baubeginn in Glienicke.Dann wird im Pferdestall im Erdgeschoß des Kavalierhauses ein Ausstellungsraum entstehen, in dem eine Dauerausstellung zur Berliner Bildhauerschule des 19.Jahrhunderts zu sehen sein wird.Auch der Turm von Schloß Glienicke soll für die Besucher wieder zugänglich werden.Zusammen mit dem übrigen Schloß und dem angrenzenden malerischen Landschaftsgarten wird Glienicke dann im reichen Spektrum der Preußischen Schlösser mit zusätzlichen Attraktionen aufwarten können.

JÜRGEN TIETZ

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