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It’s Showtime. „Guys an Dolls“ (1955) von Joseph L. Mankiewicz.

© Arsenal

Hollywood-Musicals im Arsenal: Singin’ in the Snow

Das Kino Arsenal zeigt in der vorweihnachtlichen Zeit Hollywood-Musicals von den Dreißigern bis zu den späten fünfziger Jahren. Ein leuchtend-lärmiger Kontrapunkt zum alltäglichen Jingle Bells.

Riesenradgebimmel und Jingle Bells dominieren die vorweihnachtliche Soundkulisse. Einen leuchtend-lärmigen Kontrapunkt dazu bietet derzeit das Arsenal – mit Tanz und Gesang, wirbelnden Glitzerkleidern, klackernden Steppschuhen und Akkordgebirgen. In den nächsten Wochen bietet das Kino, fast täglich, Musical-Showtime, aus der Zeit des singenden, klingenden Hollywood von den Dreißigern bis zu den späten fünfziger Jahren. Und fast alle in 35mm-Kopien!

Schon der sogenannte Stummfilm schwebte gern in Operettenseligkeit. Als der Ton zum Film kam, war die Musik längst da. Als Sam Warner und drei seiner Brüder am 6. August 1926 zum „Vitaphone Program“ in ihr Warner Bros. Theatre am Broadway einluden, gab es Wagner und Verdi, Banjo und Ukulele vorneweg und im Hauptfilm „Don Juan“ tönte nicht Sprache, sondern – noch nicht ganz satter – orchestraler Klang.

„All Singing, All Dancing“ heißt die Retro in Anlehnung an den Slogan, mit dem Metro-Goldwyn-Mayer 1929 das erste Tonfilm-Musical „The Broadway Melody“ bewarb. Der Film befeuerte eine Welle ähnlich konstruierter Backstagestücke um aufstrebende Starlets – die perfekte Form, um Gesang und Tanz via Bühnengeschehen in die Filmhandlung zu integrieren. In Lloyd Bacons „42nd Street“ (1933) müssen die Mädels in Achtergruppen zum Casting und Beinezeigen antreten, die Durchhalte-Ansprachen des Regisseurs („You can’t, but you will“) klingen martialisch wie Trainer-Kabinenreden, man riecht Drill und Schweiß.

Irving Berlin hatte sein Handwerk in New Yorker Cafés erlernt

Mit „42nd Street“ begann auch die Karriere des Choreografen Busby Berkeley, der mit seinen Körper-Kompositionen ganz ins Artifizielle zielte. Das Backstage-Musical blieb Standard bis heute. Immer öfter aber wagten die Plots artistische Autonomie, und die Verfremdung durch die Nummern wirkte als ästhetischer Mehrwert. Neben den Broadway trat das Vaudeville, wo viele der nach Hollywood stürmenden Künstler ihre Bühnenlehre gemacht hatten. Der Komponist Irving Berlin (von dem übrigens „White Christmas“ stammt) hatte sein Handwerk in New Yorker Cafés erlernt. Fred Astaire stand als Kind mit Schwester Adele auf der Bühne, bevor er mit Ginger Rogers das Kino eroberte. In ihren Auftritten sind die Mühen der Arbeit am Körper unsichtbar, alles scheint Eleganz und reine Bewegung. Und Astaires Bühnenpersona etwa in „Top Hat“ (1935) ist nur noch Vorwand für den Verwechslungsplot in einem Venedig à la Las Vegas.

Astaire tobte noch 1957 in der Lubitsch-Vertonung „Silk Stockings“ über die Leinwand. Ähnliche Kontinuität backstage zeigte Arthur Freed, der von „Broadway Melody“ bis „Gigi“ unzählige Musicals produzierte und mit „Singin’ in the Rain“ (1952) auch für das genialste verantwortlich zeichnet. Der von Stanley Donen und Gene Kelly geprägte Komödien-Klassiker wirkt mit seinem cartoonesken Witz fast postmodern – typisch für das Selbstbewusstsein eines Genres, das sich mit Lust auch Akrobatik oder Zauberei einverleibt.

Gegenbeweis – und beharrlichster Regisseur des Genres – ist Vincente Minnelli, der von „An American in Paris“ bis zu den „Ziegfeld Follies“ mit fünf Filmen vertreten ist. Auch er stand schon mit drei auf der Bühne, und Jahre als Dekorateur am Broadway prägen seine Arbeiten markant visuell. Doch der oft zuckersüße Schein lässt keineswegs auf Harmlosigkeit schließen. Schon die frühe Familiengeschichte „Meet Me in St. Louis“ (1944) enthält fast programmatisch verstörende Gewalt. Und in „The Pirate“ (1948) werden einer jungen Frau (Judy Garland in einer seltenen komischen Rolle) im Kampf gegen die Zwangsverheiratung auch die romantischen Flausen ausgetrieben, während Gene Kelly in FairbanksTradition über die Bühne wirbelt. Am Ende steht statt Traualtar ein furioser Bühnenauftritt beider, der auf schönste Hollywood-Art die Freude am Spektakel mit der Aufforderung zum Selbstausdruck verbindet.

Bis 18. Januar im Arsenal am Potsdamer Platz. Details: www.arsenal-berlin.de

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