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Hollywood: Schwulen-Western ist jetzt Oscar-Favorit

Es war der Abend von Hollywoods Coming-out. Vier Golden Globes für den Schwulen-Western "Brokeback Mountain" - damit ist auf den Hügeln der Filmstadt die Regenbogenfahne gehisst.

Beverly Hills - Die mit wenig Geld verfilmte Geschichte zweier Cowboys, die sich am Lagerfeuer bei Speck und Bohnen näher kommen, räumte in der Nacht zum Dienstag in Beverly Hills ab und gilt nun als Favorit für die Oscars. Amerikas Rechte ist erschüttert.

Es gab immer schon Leute, die misstrauisch wurden, wenn amerikanische Westernhelden gegenseitig ihre Revolver bestaunten. Aber noch nie zuvor gab es auf der Leinwand explizit schwule Marlboro-Männer. In seiner Dankresrede sprach der taiwanesisch-amerikanische Regisseur Ang Lee von «der Macht des Kinos, unser Denken zu ändern». Manche Kritiker meinen, dass nun die Zeit des Nischenkinos für Schwulen-Filme vorbei ist. Die religiöse Rechte ist alarmiert: «"Brokeback Mountain" ist antiamerikanische Propaganda», wettert der Präsident der Christlichen Film- und Fernsehkommission, Ted Baehr.

In seinen Augen ist Hollywood ein einziger Sündenpfuhl. Denn nicht genug damit, dass «Brokeback Mountain» von Hollywoods Auslandspresse zum besten Film ausgerufen wurde und noch drei andere Golden Globes dazu bekam. Bester Hauptdarsteller wurde zudem Philip Seymour Hoffman für seine Verkörperung des schwulen Schriftstellers Truman Capote und beste Hauptdarstellerin Felicity Huffman für ihre Rolle als Transsexuelle in «Transamerica». Die bisher vor allem als «Desperate Housewife» bekannte Huffman erklärte: «Ich möchte mich vor all den Männern und Frauen verneigen, die Ächtung, Isolierung und ein Leben als Außenseiter in Kauf nehmen, um endlich diejenigen werden zu können, die sie wirklich sind.»

George Clooney bekam einen Globe für seine Rolle als CIA-Agent in «Syriana» - auch nicht gerade ein Film, der Bush-Wählern Freude macht. Hinter der Bühne bestritt Clooney zwar, dass sich der Thriller direkt gegen den Präsidenten richte, doch gehe es um 60 Jahre misslungener US-Politik im Nahen Osten. Das Fachmagazin «Entertainment Weekly» sagt voraus: «Die Oscars werden dieses Jahr von politischen Filmen dominiert werden.»

Die Blockbuster dieser Saison - «King Kong», «Narnia» oder gar «Harry Potter» - wurden von den Juroren der Golden Globes ignoriert. Selbst Steven Spielberg, der mit «München» doch immerhin Politisches ablieferte, war den 84 Mitgliedern des Auslandspressevereins zu etabliert. Der Vereinsvorsitzende Philip Berk war stolz darauf, dass sämtliche fünf Produktionen, die als beste Filme nominiert waren, ein Budget von weniger als 30 Millionen Dollar hatten. Dazu muss allerdings gesagt werden, dass mittlerweile auch die meisten der so genannten unabhängigen Filmwerkstätten über Beteiligungen den großen Hollywoodstudios gehören.

Europäische Wertarbeit wurde in diesem Jahr bei der Golden-Globe-Verleihung nur an einer Stelle gewürdigt. Der texanische Drehbuchautor von «Brokeback Mountain», Computermuffel Larry McMurtry, sagte: «Vor allem danke ich meiner Schreibmaschine, einer Hermes 3000.» Die kommt bekanntlich aus der Schweiz. (Von Christoph Driessen, dpa)

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