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Hommage an Künstler A.R. Penck: Chaos im Kosmos

Er war berühmt für seine Wimmelbilder. Die Galerie Michael Haas würdigt den Maler und Bildhauer A.R. Penck mit zwei großartigen Ausstellungen.

„Natürlich geht es in der Kunst und in der Malerei ganz besonders um Abstraktion. Aber dass die Abstraktion aus der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit gewonnen wird, ist mir immer eine Selbstverständlichkeit gewesen.“ Mit diesen Äußerungen in einem Interview aus dem Jahr 1990 wollte der Künstler A. R. Penck deutlich machen, dass seine berühmte Malerei der Strichmännchen kein rein abstraktes Spiel ist, sondern ihren Ursprung stets in der Realität hat.

Wie konkret die Ereignisse sein konnten, die seine Malerei inspirierten, zeigt Pencks fünf Meter langes Gemälde „Der Golfkrieg“ aus den frühen neunziger Jahren, das aktuell in der Galerie Michael Haas zu bewundern ist. Vor einer abstrahierten, in Flammen stehenden Landschaft tummeln sich schwarze Gestalten: ein Soldat, ein Vogel Greif und zeichenhaft reduzierte Figuren aller Art. Dazwischen ereignen sich Explosionen, fliegen Gliedmaße ebenso wie hohläugige Totenköpfe durch die Luft. Ergänzt wird die beklemmende Szenerie durch allerlei kryptische Symbole, und über allem schwebt eine tiefschwarze Wolke mit dem bluttriefenden Wort Saddam. Ein modernes Inferno, das ein Weltereignis in Pencks unverwechselbarer künstlerischer Sprache kommentiert.

Mit Gemälden und Skulpturen, darunter zahlreiche bedeutende, teils monumentale Werke, die ab den siebziger bis in die neunziger Jahre entstanden sind, gibt Michael Haas in seinen Galerieräumen und der großzügigen Ausstellungshalle im Lager einen Überblick über das malerische und bildhauerische Schaffen eines der bedeutendsten deutschen Künstler (Preise: ab 160 000 Euro). Penck gilt als einer der Väter jener Kunstströmung, die unter dem Begriff der Neuen Wilden immer wieder versammelt wird. Seine Biografie im geteilten Deutschland, der Weggang aus Sachsen und die Übersiedelung ins Rheinland, steht sinnbildlich für die tragische Geschichte des Landes.

Im Westen wurde Penck rasch zum Star

In der DDR wurde dem 1939 geborenen, renitenten Ralf Winkler, wie Penck ursprünglich hieß, das Leben zur Hölle gemacht: Ablehnung an den Kunsthochschulen, Verweigerung der Mitgliedschaft im Verband Bildender Künstler, Bespitzelung durch die Staatssicherheit, 1980 schließlich die Ausbürgerung. Penck aber ließ sich nicht beirren. Seine einzigartige, archaisch anmutende und an Höhlenmalerei gemahnende Bildsprache aus abstrahierten Figuren und Bildzeichen erarbeitete er sich als Autodidakt. Mit Gelegenheitsjobs als Heizer, Nachtwächter, Briefträger und Kleindarsteller schlug er sich abseits des staatlichen Systems durch. Früh knüpfte er Kontakte zu Künstlern im Osten und Westen. Und immer wieder fand er Wege, seine Arbeiten in den Westen zu schmuggeln.

Hier wurde er rasch zum Star. Schon 1968 veranstaltete der Galerist Michael Werner, dessen Bekanntschaft Penck drei Jahre zuvor gemacht hatte, eine erste Einzelausstellung in der Galerie Hake in Köln, 1971 folgte die erste museale Soloschau im Haus Lange in Krefeld, im Jahr danach war er auf der Documenta 5 in Kassel vertreten. Für DDR-Funktionäre wurde Penck so zum roten Tuch. Es folgten Repressalien. Mitten im Kalten Krieg gab sich der Maler, Bildhauer, Filmemacher, Musiker und Schriftsteller Ralf Winkler 1968 den Namen A.R Penck, in Erinnerung an den furchtlosen Eiszeitforscher Albrecht Penck.

Der Künstler blieb immer Skeptiker

Seine Bilder sind wuselige Wimmelbilder aus Strichmännchen mit schlackerndem Penis, Kreuzen, beißenden Hunden und vielem mehr, Figuren, die gleichsam im Bildraum schweben. Auch die Reihe seiner farbenprächtigen Selbstporträts von 1989 schuf Penck so. Erste Skulpturen entstanden bereits zu DDR-Zeiten in den 1950er-Jahren, zunächst aus Gips, dann aus Holz und ab 1982 im Westen schließlich als Bronzeabgüsse.

Obwohl der Westen ihn als Künstler groß gemacht hatte, blieb Penck zeit seines Lebens ein Skeptiker. Zwei Jahre nach seiner erzwungenen Ausreise schrieb er in einem Gedicht: „Der Osten hat mich ausgespuckt, der Westen noch nicht gefressen.“ Im vergangenen Jahr ist A. R. Penck in Zürich verstorben. Die Ausstellung der Galerie Haas ist eine wunderbare Hommage.

Galerie Michael Haas, Niebuhrstr. 5 & Kunst Lager Haas, Lise-Meitner-Str. 7-9; bis 21.4, Mo–Fr 9–18 Uhr, Sa 11–14 Uhr

Angela Hohmann

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