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Kultur: Homo erectus

Christian Kässer fragt sich, ob Länge den Unterschied ausmacht Vor einigen Tagen verstarb Lord Roy Harris Jenkins of Hillhead, OM. Ein Mann mit einem langen Namen.

Christian Kässer fragt sich,

ob Länge den Unterschied ausmacht

Vor einigen Tagen verstarb Lord Roy Harris Jenkins of Hillhead, OM. Ein Mann mit einem langen Namen. Trotzdem wäre das traurige Ereignis für die schöngeistigeren Teile dieser Welt nicht weiter bemerkenswert, hätte der Abberufene nicht ein Amt hinterlassen, dessen Würde die Länge seines Namens noch um einiges übertrifft: nämlich dasjenige des Rektors der ältesten englischen Universität. Deren Namen wiederum muss man nicht nennen – sofern man weiß, dass sie ohnehin viel besser ist als die Konkurrenz in Cambridge. Und so würdig das Amt auch ist, eine Frage ließ sich nicht lang auf sich warten: Wer wird Lord Jenkins’ Nachfolger?

Kaum dass dieser in Würde bestattet war, wurde also in den schöngeistigeren Teilen der internationalen Presse über mögliche Kandidaten spekuliert. Einer, dessen Meinung in dieser Sache nicht unerheblich ist, nämlich Alan James Ryan, BA, MA, D.Litt., ist Träger eines zwar nicht ganz so langen Namens – der aber immerhin noch lang genug ist, um einem Rektor des ältesten Colleges dieser ältesten Universität zu gehören. Dieser Alan James also meinte: „It could be good fun with him!“

„Him“ ist, um die Katze aus dem Sack zu lassen: Bill Clinton – HIMSELF.

Dass aber jenem Alan James ein solcher Nachfolger nicht eine „honour“ ist, sondern er stattdessen erwartet, mit Bill Clinton „Fun“ zu haben, ist dann doch bemerkenswert. Denn Clinton ist in Oxford zwar bekannt als ein in den siebziger Jahren Marihuana rauchender (aber nicht inhalierender!) Student. Und auch seine Tochter Chelsea studiert jetzt dort. Aber als Humorist ist er bislang noch nicht hervorgetreten.

Glücklicherweise jedoch haben auch andere englische Autoritäten sich zur Sache geäußert, und besonders schöngeistig versucht die „Financial Times“ ihre Ansicht kundzutun: Sie veröffentlichte gleich eine Würdigung, die anlässlich der Inthronisation von Bill Clinton verlesen werden könnte. Nun verlangt die altehrwürdige Universitätstradition, dass eine solche Rede auf lateinisch gehalten wird, und so erschien in diesem Blatt, wohl zum ersten Mal in seiner Geschichte, ein lateinischer Text. Auch hier drückte man über die bevorstehende Ernennung zunächst „magnam gaudeam“ aus (richtig übersetzt heißt große Freude natürlich „magnum gaudium“ – soviel zur Schöngeistigkeit von Wirtschaftszeitungen). Jedoch vergaß man auch nicht, auf jene wohlbekannten Vorfälle hinzuweisen, die mit einer gewissen „fellatrix“ (das übersetzt man jetzt besser nicht) Monica Lewinsky zusammenhängen, und auch dass Clinton ein „homo erectus“ (ein aufrechter Mensch) sei, ist doch ein eher vieldeutiges Kompliment.

Wie dem nun sei, vor der Inthronisierung steht eine Wahl, und Clintonus erectus muss auch eine solche Wahl erst noch gewinnen. Von wirklich schöngeistiger Seite greift man einem derartigen Ereignis natürlich nicht vor, sondern erlaubt sich nur zu sagen: Zumindest der Name scheint, jedenfalls für Oxforder Verhältnisse, ein bisschen kurz zu sein.

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