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Kultur: Homunculi aus Goethes Papierkorb im Berliner Hebbel-Theater

"Dichterfürst, was haben sie dir angetan!" titelte entsetzt die B.

"Dichterfürst, was haben sie dir angetan!" titelte entsetzt die B.Z., als herauskam, dass "DDR-Forscher" Goethes Gebeine mit Feinwaschmittel gereinigt hatten. Es kann noch schlimmer kommen. Einer exquisiten Scheußlichkeit aus dem Papierkorb des Olympiers haben sich die Komponisten Susanne Stelzenbach und Ralf Hoyer angenommen: Es handelt sich um das Fragment von Goethes Libretto zu "Der Zauberflöte Zweiter Teil". Heraus kam ihre "musiktheatralischen Fragmente Zauberflöte 2.2." Ende August durch die Bühnen Krefeld und Mönchengladbach uraufgeführt, war das Opernfragment jetzt im Hebbel-Theater unter der Leitung von Susanne Stelzenbach in Berlin zu begutachten. Goethes verkrampftes Szenario ist zum Glück wenig mehr als eine bloße Ausgangsbasis. Das beginnt bei dem Bühnenbild aus zwölf gläsernen Stelen, die an Reagenzgläser erinnern mögen, sich vor allem aber raffiniert beleuchten lassen. Da sind weiterhin Musik und Regie, die aus den Figuren eine Riege von wie ferngesteuert handelnden Homunculi macht: Ein herber Schlagzeugklang, und sie spulen ihren Text ab. Von dem hehren Drama, das Goethe wie eine Volksausgabe von Faust II dem Publikum in Gewändern und Kostümen der poulären Zauberflöte unterjubeln wollte, sind sieben unglückliche Personen übriggeblieben, Kopfgeburten auf der Suche nach ihrem Schöpfer, von dem sie vergeblich Entwicklung und Sinn einfordern. Dass sich trotz allem Fragementarischem ein Spannungsbogen entwickelt, dafür sorgt vor allem die bizarre, wunderbar ökonomisch eingesetzte Musik, die mit einem Instrumenatrium aus Klarinette, Violoncello, Posaune und Schlagzeug vollkommen auskommt. Zwischen atonaler Expressivität, derb in die Deklamation hingerotzen Poasauentönen und minimalistisch vibrierenden Klangflächen abwechselnd, steigert sich der musikalische Fluß bis hin zu einem wilden Rap-Duett zwischen Papageno und Papagena. Goethes frisch gewaschene Gebeine werden wohl rotiert haben.Noch einmal am 24. 10., 20 Uhr.

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