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Kultur: Hüttenzauber

Und immer baut der Mensch. Weil er es schöner, heller, wärmer haben möchte, weil er sich neuen Lebensverhältnissen anpassen muss oder aus schierer Not.

Und immer baut der Mensch. Weil er es schöner, heller, wärmer haben möchte, weil er sich neuen Lebensverhältnissen anpassen muss oder aus schierer Not. Das ist das Thema von Marjetica Potrc . Die slowenische Künstlerin und Architektin zeigt in der Galerie Nordenhake vier große Blatt Papier, auf die sie spielerisch leicht geschwungene Linien getuscht hat, die Wirbelstürme oder Flüsse darstellen könnten, kleine Häuser, Brücken, Antennen und schließlich Satzfragmente wie „Sahara wind blows in“ und „People on the move“ (bis 29. Mai, Zimmerstr. 88 -91). Die bunten Zeichnungen erinnern an Mindmapping und zeigen, wie Potrc die Welt wahrnimmt: Umwelt, Wirtschaft und Migration, Architektur, Kunst und Alltag – alles hängt mit allem zusammen (je 6700 Euro). So hat sie auf einer Studienreise auch das „Rural Studio“ an der Auburn Universität in Alabama besucht, dessen Studenten aus preiswerten Materialien fantasievolle Häuser für Arme bauen, zum Beispiel einen kleinen Bungalow mit einer riesigen, gefalteten Kuppel. Sie soll die Wucht von Tornados mildern. Potrc hat die Charakteristika des Gebäudes in einem Nachbau aus Sperrholz und Blech (48 000 Euro) zusammengefasst. Teils Skulptur, teils Modell symbolisiert er die Hoffnung, dass der Mensch nicht nach jeder Katastrophe vor den Trümmern seiner Existenz steht – und wirbt für den spröden Charme experimenteller Architektur.

Folke Köbberling und Martin Kaltwasser bauen mit Balken und Brettern, die andere weggeworfen hätten. Ursprünglich wollte das Berliner Künstlerduo lernen, wie in den Armenvierteln von Istanbul buchstäblich über Nacht neue Häuser entstehen: Auf einem Feld vor Berlin zimmerten sie aus dem Holz rasch eine Hütte. Seitdem haben der Architekt und die Künstlerin immer neue, immer elegantere temporäre Häuser auf öffentlichen Plätzen errichtet, darin neugierige Passanten begrüßt und sogar vorübergehend darin gewohnt. Ihr Fundus wuchs und wuchs. Einen Eindruck von der Fülle ihres Kreuzberger Materiallagers gibt die Ausstellung bei Anselm Dreher . Hier finden sich der Fußboden der ersten Hütte als Bühnenpodest, Latten und Platten nach Größe und Werkstoff sortiert und bis unter die Decke gestapelt. Fotos, Texte und Materialproben dokumentieren, was die beiden wo gesammelt haben (bis 21. Juli, Pfalzburger Str. 80). Das alles lässt sich als eine Art Soziogramm mitteleuropäischer Baustellenkultur lesen, aber auch als Projektkunst, die sich in drei minimalistischen Skulpturen materialisiert hat (Preise auf Anfrage). Doch vor allem geht es dem Duo um den relativen Wert von Dingen. „Des einen Abfall ist des anderen Schatz“, steht auf einem Katalog der beiden, die für ihren Auftritt beim „Art Forum“ die Müllberge einer vorangegangenen Messe schröpfen wollen.

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