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Große Fassade. Das chinesische Nationalmuseum in Peking. Hier läuft die von deutschen Museen bestückte Schau „Kunst der Aufklärung“. Das Gebäude ist ein Beispiel zeitgenössischer Museumsarchitektur – das Berliner Humboldt-Forum sucht noch seine Form. Foto: dpa

© dpa

Humboldt-Forum: So viel Welt war nie

Ein Symposium über die Gestaltung des Humboldt-Forums weicht drängenden Fragen aus: Wie erzählen wir Geschichte, was ist überhaupt Kunst? Und wie vermeiden wir in Zukunft schmerzhafte Kulturexporte?

Das chinesische Nationalmuseum in Peking, das derzeit durch die unglückliche Ausstellung zur „Kunst der Aufklärung“ im Brennpunkt steht, vergleicht der Direktor des Berliner Museums für Asiatische Kunst versuchsweise mit dem Humboldt-Forum: drei historische Fassaden, eine Neubaufassade, davor steht eine Statue von Konfuzius statt Marx und Engels, das Ganze befindet sich am wichtigsten Platz der Stadt, und der Anspruch ist immens.

Doch im Inneren, so Klaas Ruitenbeek, der am vergangenen Wochenende das Riesengebäude in Peking besuchte, ist die jetzige Präsentation ein Rückschritt gegenüber dem alten Museum of Chinese History: Konsequent setze man nun auf reine Kunstpräsentation, statt die Objekte zu kontextualisieren und auf ihre Geschichte zu befragen. Kunst tut nicht weh. Kulturexport bisweilen schon, das haben die deutschen Museumsleute gerade in Peking gelernt. Eine Bemerkung dazu hätte man sich auch auf dem Symposium in Berlin gewünscht, auf dem die Konzepte zum Humboldt-Forum diskutiert werden sollen.

Wie erzählen wir Geschichte, und was ist überhaupt Kunst? Das sind Fragen, mit denen sich Museumsleute derzeit verstärkt beschäftigen. Denn die Wahrnehmung außereuropäischer Kunst politisiert sich in dem Maße, in dem etwa die Vorgänge in Nordafrika, China oder der Elfenbeinküste unseren europäischen Blick auf Kultur beeinflussen und in Frage stellen. Eine klassische Präsentation asiatischer Kunst, wie sie offenbar in Peking versucht wurde und in den asiatischen Museen des Westens üblich ist, erscheint da plötzlich nicht mehr angemessen, ja fast eskapistisch, weil sich Kunst von ihren Entstehungsbedingungen nicht trennen lässt.

Noch immer allerdings ist die Trennung zwischen Kunst und Ethnologie in den Museen gängige Praxis. Da kommt es schon einer Revolution gleich, wenn Klaas Ruitenbeek im Humboldt-Forum künftig die Asien-Bestände seines Museums und des Ethnologischen Museums auf einer Ebene und auf Augenhöhe präsentieren will. Natürlich, so der humorvoll-pragmatische Niederländer, der seit 2010 das Berliner Museum leitet, müsste nicht nur die Islam-Abteilung des Ethnologischen Museums, sondern auch das Museum für Islamische Kunst ins Humboldt-Forum ziehen. Denn wo verläuft bei islamischer Kultur die Grenze zwischen Kunst und kulturgeschichtlichem Exponat?

Die historische Trennung der Sammlungen erscheint recht willkürlich. Und Ruitenbeeks Ansage, man wolle am Schlossplatz ein ziemlich konventionelles Museum planen, erscheint in diesem Kontext als bewusste Provokation angesichts einer Öffentlichkeit, die von der Neupräsentation der außereuropäischen Sammlungen etwas nie Dagewesenes erwartet und erwarten darf.

Diese hohen Erwartungen an das, was Stiftungspräsident Hermann Parzinger als „wichtigstes Kulturprojekt des 21. Jahrhunderts in Deutschland“ ankündigt, haben den Druck auf die Stiftung Preußischer Kulturbesitz immerhin derart erhöht, dass man nun zu einem dreitätigen Workshop Fachleute aus aller Welt nach Berlin eingeladen hat, um die schon seit drei Jahren in der Schublade liegenden Konzepte zu diskutieren und evaluieren zu lassen. Und die Experten aus Vancouver, Washington, Sydney, Delhi, Mali oder Tokio stellen schon am ersten Vormittag die richtigen Fragen: Wird es am Schlossplatz einen gemeinsamen Auftritt und einen einzigen Verantwortlichen geben, oder planen die einzelnen Museen auf eigene Faust? Ziehen wirklich die kompletten Sammlungen aus Dahlem um, obwohl absehbar ist, dass der Platz für eine anspruchsvolle Neupräsentation kaum reichen wird? Wie passen die Barockfassaden zum Inhalt? Ist mit dem neuen Auftritt auch ein grundsätzliches Überdenken dessen verbunden, was man heute unter Ethnologischen Museen fasst? Was passiert genau in der geplanten Agora? Und wie will man die auf Sammeln und Forschen ausgerichteten Museen dazu bringen, tatsächlich einen offenen Dialog zu führen?

Fragen, die in der Öffentlichkeit schon lange gestellt werden. Denen gegenüber das Humboldt-Konzept mit seinen Ausstellungsmodulen und Schaudepots schon jetzt ziemlich veraltet wirkt. Es reicht einfach nicht, die Raumeinrichtung so flexibel und offen zu halten, dass jede Generation nach Belieben ihre eigenen Geschichten erzählen kann. Gefragt ist, mehr denn je, auch eine Haltung der Museen zu ihren Beständen und den Kulturen, die sie repräsentieren, zu der Geschichte, die man erzählen will.

So offen und inspiriert wie diese Workshop-Auftaktsdiskussion wünscht man sich den Dialog über das Humboldt-Forum jedenfalls häufiger. Und irgendwann, so hofft ein indischer Historiker, wird die Welt dann auf Berlin blicken, weil hier Ernst gemacht wurde mit Konzepten, die ein völliges Umdenken klassischen Sammlungsverhaltens bedeuten.

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