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Humboldt-Forum: Wie man ein Schloss spendet

Das Humboldt-Forum wird kommen, der Staat richtet es. Was ist übrig geblieben vom bürgerschaftlichen Engagement?

Hätte es dem Freigeist Wilhelm von Humboldt gefallen, seinen Namen ausgerechnet in einem von Staatskunst durchtränkten Humboldt-Forum verewigt zu sehen? 1792 schrieb er in seinen „Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen“: „Gerade die aus der Vereinigung Mehrerer entstehende Mannigfaltigkeit ist das höchste Gut, welches die Gesellschaft gibt, und diese Mannigfaltigkeit geht gewiß immer in dem Grade der Einmischung des Staates verloren.(...) Gleichförmige Ursachen haben gleichförmige Wirkungen. Je mehr also der Staat mitwirkt, desto ähnlicher ist nicht bloß alles Wirkende, sondern auch alles Gewirkte.“

Humboldts Worte skizzieren sehr genau das Ergebnis des staatlichen Wettbewerbs um die Schloss-Rekonstruktion im letzten Jahr. Die Auslobungskriterien waren so weit gefasst, dass selbst kleinste Architektenbüros sich bewerben konnten, die einem voluminösen Bauvorhaben von über einer halben Milliarde Euro gar nicht gewachsen sind. Was weltoffen und demokratisch wirkte, ist nun recht gleichförmig ausgegangen.

Bevor die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ihre Ideen zum Humboldt-Forum ab kommenden Mittwoch in einer Ausstellung im Alten Museum präsentiert, fragt sich außerdem, was vom Entwurf des ersten Preisträgers, Franco Stella aus Vicenza, übrig bleiben wird. Ob Stella mit seiner Handvoll Mitarbeitern die Anforderungen der Auslober an den Umfang der bisherigen Bürotätigkeit erfüllt hat und überhaupt zur Wettbewerbsteilnahme berechtigt war, bleibt zweifelhaft. Eine Prüfung seiner eigenen Angaben fand jedenfalls nicht statt und wird vom Bundesbauministerium auch nicht für nötig erachtet.

Um das Dilemma zu lösen, wurden bekanntlich zwei renommierte Architekturbüros hinzugezogen: Hilmer & Sattler und Albrecht für den Entwurf und Gerkan, Marg und Partner für die Ausführung. Dass diese erfahrenen, namhaften Büros als Erfüllungsgehilfen eines nahezu unbekannten Architekten agieren, ist kaum zu erwarten. Denn Hilmer & Sattler und Albrecht haben in Berlin mit der Gemäldegalerie ein ähnlich großes Renommierprojekt für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz gebaut und sich mehrfach intensiv um den Schloss-Auftrag bemüht. Wenn sie nun einbezogen werden, werden sie gewiss wesentlichen Einfluss auf das Projekt nehmen wollen.

Mit der Gründung der Schloss-Stiftung durch den Bund, die vor allem als Bauherrin und als künftige Betreiberin des Humboldt-Forums fungiert, ist nun ein weiterer Akteur an den Rand gedrängt worden: der Förderverein Berliner Schloss, der das Projekt überhaupt erst auf den Weg gebracht hatte. Vereinsgründer Wilhelm von Boddien versprach, die 80 Millionen Euro Mehrkosten für die historischen Fassaden über private Spenden zu finanzieren. Diese Zusicherung war neben dem unermüdlichen Engagement der Stiftung und ihres Geschäftsführers ausschlaggebend für die Voten von Expertenkommission und Bundestag zum Wiederaufbau.

Doch obgleich der Verein seit 17 Jahren Spenden sammelt, tritt die im Juni vom Bund mit 1,5 Millionen Euro ausgestattete gemeinnützige Stiftung nun ebenfalls mit dem Ziel auf, das „Spendenaufkommen in Höhe von 80 Millionen Euro für die historische Rekonstruktion des Berliner Schlosses aufzubringen“. Wilhelm von Boddien sieht in der Stiftung nur eine „Geldannahmestelle“ und begrüßt sie „als höchst willkommene Ergänzung“ des Vereins. Dagegen hoffen die Haushaltsexperten der Unionsfraktion, Steffen Kampeter und Bartholomäus Kalb, endlich auf eine „seriöse Spendenfinanzierung“. Potentielle private Spender seien nun nicht mehr auf den „umstrittenen“ Förderverein angewiesen. Das Ziel, die historischen Fassaden durch Spenden zu finanzieren, könne nun auch realisiert werden. Ja, Kampeter geht noch weiter: „Steine auf Halde zu produzieren, das ist noch keine Unterstützung für das Schloss. Ob der Verein das Schloss fördert oder nur sich selbst, das muss er noch erweisen.Wir brauchen jede private Initiative, aber Geld ist wichtiger als Steine.“

Boddien wiederum fühlt sich mit seinem Verein nicht im Verzug. Seinen Angaben zufolge verfügt er über die vierfache Summe, die die Dresdner Frauenkirche bei Baubeginn zur Verfügung hatte. Die Spendenuhr auf der Homepage verzeichnet einen Spendenstand von 10,618 Millionen Euro. In der Jahresbilanz von 2008 steht als Gesamtvermögen aber nur die Summe von 7,347Millionen Euro. Der Finanzmittelbestand des Vereins beträgt laut Jahresabschluss sogar nur 2,571 Millionen Euro – eine Summe, die im Gesamtvermögen bereits enthalten ist. Wo sind die restlichen Spendengelder?

Sie wurden fast zur Hälfte für Rekonstruktionsplanungen des früheren stellvertretenden Vereinsvorsitzenden und Architekten Rupert Stuhlemmer ausgegeben. Der Rest ging für Vereinstätigkeiten weg, zum Beispiel für die Spendenakquise. Noch hat der Verein dem Bund auch kein Geld übertragen, weil es laut Boddien bislang keinen „gemeinnützigen Abnehmer“ gab. Umgekehrt hat Stuhlemmer dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung bereits 2006 ein Angebot „über die Erarbeitung von Plänen als Grundlage für die Ausschreibung eines internationalen Architektenwettbewerbs“ unterbreitet. Darin werden für 85 685,08 Euro Arbeitsaufwendungen berechnet.

Gezahlt wurde nicht, weil das Bundesamt „als öffentlicher Auftraggeber und fachkundiger Bauherr von einer Beauftragung Abstand nehmen muss“. Ohnehin wäre das Amt vor der Vergabe eines Auftrags verpflichtet, weitere Angebote einzuholen. Boddien nimmt daran keinen Anstoß: „Es gibt nur wenige Fachleute, die über Schloss-Knowhow verfügen. Ohne unsere Vorarbeiten wäre ein Baubeginn frühestens 2018 möglich.“ So kam es, dass der vormalige Schlossvereins-Vize Stuhlemmer nach seinem Ausscheiden einen Planungsauftrag des Vereins für die Fassadenrekonstruktion erhielt. Honorarvolumen: knapp 5 Millionen Euro.

Nach außen hin hat der Bund als Bauherr öffentliche Kritik am Förderverein weitgehend abgewehrt. Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hat sogar zum Spenden an ihn aufgerufen. Die interne Beurteilung war eine andere. Im Prüfbericht zur Kostenschätzung schrieb das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung im Juli 2007: „Einsparmöglichkeiten zugunsten des Gesamtbudgets aufgrund von Mittelzusagen des Fördervereins können gegenwärtig nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden.“ Der Bund ging also schon 2007 davon aus, dass eine Spendenfinanzierung der Fassade allein durch den Verein nicht realistisch war. Daraufhin prüfte das Ministerium, ob eine Kofinanzierung durch Sonderbriefmarken, Sondermünzen oder eine Lotterie möglich sind. Ergebnis: negativ.

Auch die Frage nach den tatsächlichen Kosten für die Fassadenrekonstruktion hat das Bauministerium zunächst vernachlässigt. 2001 war noch von 80 Millionen Euro die Rede. Diese Angabe stammt aus einer groben Schätzung des Fördervereins, die vom Bund ungeprüft übernommen worden war. Im Abschlussbericht der Expertenkommission des Bundes von 2002 war laut Protokoll des Bauministeriums zu lesen: „In der zur Verfügung stehenden Zeit konnten die von der Kommission angenommenen Mehrkosten für die Rekonstruktion der historischen Fassaden in Höhe von 80 Millionen Euro nicht verifiziert werden.“ Das Bundesamt für Bauwesen nennt im Juli 2007 eine Bruttosumme von über 112 Millionen Euro für die Fassadenrekonstruktion, inklusive Mehrwertsteuer. Hinzu kommen 10,8 Millionen für die Rekonstruktion der Kuppel.

Unterstützung bekam der Förderverein vom Deutschen Institut für soziale Fragen, an dem als Stiftungsträger das Land Berlin und der Bund beteiligt sind. So regte die frühere Berliner Sozialsenatorin Ingrid Stahmer als Vorstandsvorsitzende des Instituts auf einer Mitgliederversammlung des Fördervereins im Jahr 2004 an, das DZI-Spendensiegel zu beantragen. 2007 wurde es dem Verein verliehen – eine Kontrollfunktion war damit offenbar nicht verbunden. Als die Bundestagsabgeordnete Anna Lührmann von den Bündnisgrünen anfragte, wieso der Förderverein Spenden für die Erstellung von Fassadenbauteilen ausgibt, welche der Bauherr gar nicht verwenden will, räumte das Institut ein: „Das DZI verfügt weder über die finanziellen und personellen Kapazitäten noch über das fachliche Beurteilungsvermögen, die Projektarbeit Spenden sammelnder Organisationen (....) zu überprüfen und auf ihre Angemessenheit hin zu beurteilen.“ Auch die Abstimmung zwischen Förderverein und den staatlichen Stellen sei „kein Prüfungsinhalt“ im Rahmen des Spendensiegels.

Über die Jahre ist dem Schloss-Projekt die von Humboldt geschätzte Mannigfaltigkeit abhandengekommen. Dass die Debatte in der Öffentlichkeit vor allem als architekturideologische und geschichtspolitische Auseinandersetzung geführt wurde, hat es offensichtlich gegen andere Formen der Kritik immunisiert. Die Frage ist: Fehlen dem Förderverein Kompetenzen, die nur der Staat hat? Und fehlt dem Staat wiederum die bürgergesellschaftliche Legitimation, die nur ein Förderverein haben kann? Tiefensee sagt, wir machen das. Boddien sagt, wir schaffen das. Zusammen wird ein Schloss draus.

Antje Schmelcher, Ingolf Kern

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