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"Pulling Matter from Unknown" von Mathilde ter Heijne.

© Uwe Walter

Humboldt Lab: das Finale: Klimawandel im Museum

Gedächtnis der Welt: Nach vier Jahren endet in Dahlem das Humboldt Lab - als Probelauf für das Humboldt-Forum. Eine Einschätzung.

Am Schluss kommt doch so etwas wie melancholische Stimmung auf, zumindest bei den Machern, sogar bei dem einen oder anderen Museumskurator, der in seiner Arbeit aufgestöbert worden ist. Vier Jahre Humboldt Lab gehen zu Ende, die Zeit des Experimentierens in Dahlem ist vorbei. Dreißig Veranstaltungen hat das Team um den Schweizer Kurator Martin Heller entwickelt, Ausstellungen, Workshops, Interventionen mitten in den Sammlungen des Museums für Asiatische Kunst und des Ethnologischen Museums. 4,1 Millionen Euro von der Kulturstiftung des Bundes wurden ausgegeben, um dem großen Projekt in der Mitte Berlins neue Visionen mit auf den Weg zu geben, damit es kein Museums-Business as usual gibt im Humboldt-Forum.

Es ist Zeit, Bilanz zu ziehen. Eine Woche lang geben Dahlem und das Humboldt Lab noch einmal alles: mit einem Kolloquium zur Frage, wie der Klimawandel Eingang in die Ethnologischen Museen finden kann, mit einer letzten großen Präsentation in der Ausstellungshalle, mit Führungen durch das gesamte Haus, sogar in den Depots. Humboldt Lab Cabs, genauer: chinesische Rikschas, befördern die Besucher von der U-Bahn-Haltestelle Dahlem-Dorf in die Lansstraße. Dazu erscheint ein dickes gelbes Buch mit dem Titel „Prinzip Labor“, das die Summe der vergangenen Experimente zieht. Ein Merkzettel, kiloschwer.

Die Laboranten als Ruhestörer

Nun sind es noch einmal vier Jahre bis zur eigentlichen Premiere, Dahlem war nur Probebühne. Fragt sich, was vom Ausprobierten bleibt, wohin das viele Geld ging. Die letzte Ausstellung in Dahlem lässt eher ratlos zurück. Für Kuratoren wie Künstler kann es kaum befriedigend sein, dass von den elf vergangenen Präsentationen jeweils ein Schaustück, eine Vitrine, ein Video als Erinnerung gezeigt wird– Stückwerk, obwohl gerade jetzt die Chance zum großen Statement gewesen wäre. Auch Martin Heller bietet bei der Finissage, dem Abschlussfest mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters und dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Hermann Parzinger, nicht mehr als leidlich bekannte, warme Worte: „Sensibilisierung für die besonderen Möglichkeiten“, „Prozess ins Offene“, „mehr Leidenschaft, mehr Sehnsucht“, wo man doch etwas über die gewonnenen Erkenntnisse will.

Mit zeitgenössischen Künstlern waren sie angetreten, den Betrieb aufzumischen. Astrid Wegner, die Leiterin der Geschäftsstelle des Humboldt Lab, erinnert sich gut daran, wie misstrauisch sie zunächst von den Museumsleuten beäugt wurden. „Es dauerte ein Dreivierteljahr, bis der Groschen gefallen war“, erzählt sie freimütig im Video. Implantiert mitten im beschaulichen Dahlem, wirkten die „Laboranten“ auf die dort arbeitenden Kustoden wie Ruhestörer. Schließlich hatten sie neben der täglichen Arbeit genug mit der Neueinrichtung in Mitte, dem großen Umzug zu tun.

Auch die Besucher durften beim Lab mittun und ihre Garderobe in Vitrinen präsentieren.
Auch die Besucher durften beim Lab mittun und ihre Garderobe in Vitrinen präsentieren.

© Uwe Walter

Genau da setzte das Projekt an: als Weckdienst, um den Aufbruch nicht zu verschlafen. Den Sammlungsexperten wurden Künstler, Szenografen, Puppenspieler an die Seite gestellt, die sich zu einzelnen Objekten etwas Neues einfallen lassen durften, die bekannte Geschichten einmal anders erzählen sollten. Das Ergebnis ist durchwachsen. Manches gelang, vieles wirkte überfrachtet; was sich zum allgemeinen Verständnis öffnen sollte, geriet noch verklausulierter.

In den besten Momenten mochte das zu Streit führen wie bei der Aufführung des Reiseberichts aus dem 19. Jahrhundert von Johan Adrian Jacobsen, durch den das Ethnologische Museum in den Besitz von tausenden Exponaten gekommen ist. Mittels Handpuppen aus Schaumstoff wurde die Expedition nachinszeniert, an deren Ende die Spieler der Künstlertruppe „Das Helmi“ splitternackt vor das Publikum traten. Verschreckte Ethnologen fürchteten hier die Wiederkehr des eigentlich abgeschafften „Wilden“.

Das Schmelzen der Polarkappen gehört ins Museum

Auch glückhafte Begegnungen wurden beschert wie beim Filmporträt einer vietnamesischen Familie, der in dritter Generation in Baden-Württemberg lebenden Vangs. Die Mühen der Transkulturalität zeigt sich hier konkret daran, dass trotz aller Versuche Mutter Vangs Ananas im deutschen Boden einfach nicht gedeihen will. Dieser sympathische Versuch einer Kontaktaufnahme mit jenen Menschen, über deren Geschichte das Museum berichtet, einer Neudefinition der eigenen Aufgabe als lebendiger Ort der Auseinandersetzung wird auch Eingang ins Humboldt-Forum finden, wie auf dem großen Grundrissplan vermerkt. Die Aktion, die Garderoben als Vitrinen in den Eingang zu stellen, wo die Besucher ihre Mäntel, Taschen oder auf dem Weg ins Museum gemachte Einkäufe öffentlich drapieren dürfen, damit sie selbst zum Aussteller werden, wird leider in Mitte nicht zu wiederholen sein.

Wie sehr die Ethnologen sich noch vorantasten, nach einem neuen Selbstverständnis suchen, von einer schlüssigen Darstellung ganz zu schweigen, zeigte sich auch beim Workshop zum Klimawandel mit dem bezeichnenden Titel „Auf dünnem Eis“. In die Ethnologen werden höchste Erwartungen gesetzt, nicht nur vonseiten der Besucher, der Kollegen, der wissenschaftlichen Instanzen, sondern vor allem der Menschen, von deren Vorfahren und kulturellen Praktiken sie berichten. So viel steht fest – das Thema gehört ins Ethnologische Museum. Die veränderte Umwelt, das Schmelzen der Polarkappen hat unmittelbaren Einfluss auf die Lebenswelt der Sami, die Zerstörung der Regenwälder auf die Yanonami, der Anstieg des Meeresoberfläche auf Tuvalu, den von Überflutung bedrohten Inselstaat im Pazifischen Ozean.

In ihrer eindrucksvollen Eröffnungsrede betonte Victoria Tauli-Corpuz, die UN-Sonderberichterstatterin für indigene Völker, dass Museen der Ort seien, an dem das Wissen um die Traditionen bewahrt werde. Sie könnten bei der Erneuerung von Identität hilfreich sein, wenn ein ganzes Volk wie die Tuvalu zum Auswandern gezwungen ist. Geradezu pathetische Worte fand auch Paul Ongtooguk von der University of Alaska in Anchorage, der die Teilhabe der indigenen Völker an der Darstellung forderte. Mit Staunen stellte Viola König, Direktorin des Ethnologischen Museums in Dahlem, zum Schluss fest, dass hier nicht mehr von Asien oder Europa und den Gegensätzen die Rede sei, sondern von einem großen „Wir“. Der Klimawandel, die Sorge um die Zukunft vereint.

Nur wie all dies umgesetzt wird, steht noch in den Sternen. Die Spannung steigt, zumal nach Abschluss der Dahlemer Versuche. Kehren die Kuratoren in die alten Spuren zurück? War das Lab nur purer Aktivismus? Wie viel Aufbruch ist möglich auf immerhin 17 000 Quadratmetern, von denen es jetzt schon heißt, dass sie viel zu klein sind für die umfangreichen Sammlungen. Die spektakulären Einbäume der Südsee-Abteilung wird es längst nicht in dem Umfang zu sehen geben wie ursprünglich gedacht. An der großen Schauwand hängt stattdessen eine Landkarte. Auch das kam beim letzten Kolloquium des Labs zur Sprache, „dünnes Eis“ ebenfalls für die Planung.

Mit dem Ende der Probebühne beginnt Neil MacGregors Zeit als Gründungsintendant. Weiß er, was in Dahlem in den letzten vier Jahren verhandelt wurde? Für welche Linie steht er? Ein zweites Musée du Quai Branly wie in Paris mit seiner Juwelier-Ästhetik, den wie Schmuckstücke angestrahlten Exponaten, wird es nicht geben, das hat Parzinger schon erklärt. Eine Übermedialisierung wie im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum, wo der Besucher von einer Szene zur nächsten stolpert, die Videos einander übertönen, ist dem Humboldt-Forum ebenfalls nicht zu wünschen. Gerade darin aber besteht die Natur des Experiments, dass sein Ausgang offen ist. 2019 wird man es wissen.

Finale Humboldt Lab, Lansstr. 8, am 18. 10., 11–18 Uhr. Publikation „Prinzip Labor“, Nicolai Verlag, deutsche Version 24,95 €, englische Version 39,95 €.

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