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Kultur: Hymne auf das Schmierentheater - Im Theater am Kurfürstendamm

Am liebsten lacht man im Theater naturgemäß über das Theater. Natürlich nur, wenn der Boulevard die Balance halten kann zwischen schenkelklopfendem Schwank und hintersinniger Blödelei, wenn die Posse ohne Peinlichkeit auskommt und das Komische nicht zum Krampf wird.

Am liebsten lacht man im Theater naturgemäß über das Theater. Natürlich nur, wenn der Boulevard die Balance halten kann zwischen schenkelklopfendem Schwank und hintersinniger Blödelei, wenn die Posse ohne Peinlichkeit auskommt und das Komische nicht zum Krampf wird. Genau diese schwierige Balance hält Michael Günthers Inszenierung von "Der Raub der Sabinerinnen. Der alte Schönthan-Schwank wirkt wie nach einer Frischzellenkur.

Die im immer gleichen bürgerlich-behagliche Auftritt-Abtritt-Dramaturgie ist im Theater am Kurfürstendamm keine Minute albern. Hinter all dem abgenutzten Getue, den Verwechslungen und Vertauschungen, den ehelichen Notlügen und künstlerischen Eitelkeiten scheint immer wieder das Menschlich-Allzumenschliche auf. Jener Abgrund, in den jeder stürzen kann, der ein bisschen mehr vom Leben erhofft, als immer nur ein wohl behüteter Staatsdiener zu sein.

Zum Beispiel Professor Martin Gollwitz. In seiner Sturm- und Drang-Zeit hat er eine "Römertragödie" verfaßt. Seitdem träumt er davon, ein Dichter zu sein. Alfred Müller bringt das Kindliche, ja auch Kindische in diesem distinguierten Professor mit ein paar linkischen Bewegungen zur Geltung. Er desavouiert den verhinderten Dichter nicht als eitlen Popanz, sondern skizziert ihn als sympathischen Schulmeister, dem die Kraft zum Träumen noch nicht abhanden gekommen ist. Um die verdrängten Sehnsüchte herauszukitzeln und die Lügengeschichte zum Laufen zu bringen, braucht sie einen umtriebigen Schmierendirektor: Der gnadenlos sächselnden Striese hat genug Größe, sich klein und lächerlich zu machen und die Tragikomik eines um sein Leben spielenden Theater-Fürsten der Vorstädte.Stämmig und berserkernd, zugleich aber auch filigran tänzelnd beherrscht Hans Teuscher die Bühne. Wenn sein Striese sich bei Schiller und Shakespeare ein paar Sätze ausborgt und beim Stichwort "Schmierentheater" ausholt zu einer Hymne auf die Bretter, die die Welt bedeuten, kassiert er Szenenapplaus.

Weil Teuscher und Müller um ihre komödiantische Schwergewichtigkeit wissen, können sie den Mitspielern Raum zur Entfaltung lassen. Den nutzen denn auch Günter Schubert als Berliner Kodderschnauze Karl Gross oder Marianne Kindermann als Dienstmädchen Rosa. Sogar die pubertäre Liebelei zwischen der abenteuerlustigen Paula (Johanna Klante) und dem verlorenen Gross-Sohn Emil (Nikolaus Gröbe) ist neckisch anzusehen. Allein Rotraud Schindler bleibt als Gollwitzens Göttergattin etwas unter ihren tyrannischen Möglichkeiten, und bei Eleonore Wittekind hat die Sehnsucht von Marianne, ihr etwas einfältiger Dr. Neumeister (Philipp Seibert) möge eine möglichst sündige Vergangheit haben, leider keinerlei erotische Abgründigkeit. So bleiben die beiden Damen ein bisschen blass und fremd in einer Inszenierung, die wohltuend unkompliziert und doch von doppelbödigem Humor ist.

Frank Dietschreit

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