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Kultur: Ian Wilmut im Gespräch: Falscher Traum

Ian Wilmut (55) wurde als Erzeuger des Klonschafs "Dolly" weltweit bekannt. Er arbeitet am schottischen Roslin-Institut.

Ian Wilmut (55) wurde als Erzeuger des Klonschafs "Dolly" weltweit bekannt. Er arbeitet am schottischen Roslin-Institut. Das Klonen von Tieren ist für Wilmut ein Vehikel zum Entwickeln neuer Therapien. Demnächst erscheint im Hanser-Verlag Wilmuts Buch "Dolly - Der Aufbruch ins biotechnische Zeitalter".

In dieser Woche haben sich in Rom Experten getroffen, die einen Menschen klonen wollen. Wie geht es denn Dolly - keine Angst vor der Maul- und Klauenseuche?

Es geht ihr allem Anschein nach gut. Ein ganz normales vierjähriges Schaf. Aber wir haben strikte Regeln im Moment. Es gibt keine Besucher. Der nächste Seuchenherd ist 100 Kilometer entfernt. Das geht noch, aber wir sind trotzdem sehr in Sorge, denn die Krankheit ist extrem ansteckend.

Verlangsamt sich die Epidemie nicht allmählich?

Noch nicht, aber wir hoffen bald.

Und wenn Dolly infiziert wäre?

Was geschehen muss, wenn ein Tier auf dem Hof infiziert ist: alle schlachten und verbrennen, damit das Virus ganz sicher zerstört wird.

Eine Katastrophe für Ihre Arbeit

Absolut.

Haben Sie eine besondere Beziehung zu Dolly?

Natürlich. Aber ich sehe sie nicht so oft, wie Sie sich das vielleicht vorstellen, weil sie etwa 500 Meter von meinem Büro entfernt ist. Sie bekommt viel Besuch und ist an Menschen gewöhnt. Wie viele andere Tiere bei uns betrachten wir sie als Individuum, an dem wir nur ungern experimentieren würden.

Es ist ja noch immer offen, wie alt Dolly eigentlich ist - genetisch gesehen. Denn ihr Erbmaterial stammt aus der gealterten Körperzelle eines erwachsenen Tieres.

Es gibt einen Mechanismus in unseren Zellen, der mit Altern verknüpft ist. In Dollys Zellen wurde die Uhr nicht zurückgestellt. Aber es wird möglich sein, die Lebensuhr beim Klonen wirklich auf Anfang zu stellen.

Der "Zeit" haben Sie gesagt, dass sie strikt gegen das Klonen von Menschen sind, wie es der römische Fortpflanzungsmediziner Severino Antinori plant.

Zum einen ist die gegenwärtige Technik noch sehr ineffizient. Nur wenige der Embryonen, die beim Klonen gemacht werden, entwickeln sich zu normalen Babies. Während der ganzen Schwangerschaft sterben Embryonen und Föten ab, manchmal sogar kurz vor der Geburt. Manche der neu geborenen Tiere leben nur kurze Zeit. Was das für Frauen bedeuten würde, ist klar: Es kann zu späten Fehlgeburten kommen, vielleicht sogar Stunden vor der Geburt. Die Frau bekommt ein Kind, das dann stirbt. Manche Kinder überleben vielleicht noch eine Weile, was fast noch schlimmer ist. Ein Beispiel: Kurz vor Weihnachen hatten wir ein geklontes Lamm. Es atmete zu schnell, die ganze Zeit. Äußerlich schien es aber normal zu sein, es trank auch und verhielt sich ansonsten normal. Nur dieses zu schnelle Atmen. Wir haben überall Rat eingeholt. Nach ein paar Tagen haben wir uns entschlossen, das Lamm zu töten. Die Frage ist: Was würde man tun, wenn ein Kind mit so einer Störung auf die Welt kommen würde? So etwas würde unausweichlich geschehen. Deshalb glauben wir, dass es kriminell und unverantwortlich wäre, zum jetzigen Zeitpunkt Menschen zu klonen.

Und wenn das Klonen von Menschen technisch kein Problem mehr wäre?

Das Problem ist: Das Kind würde nicht als Individuum betrachtet werden. Lassen Sie uns zum Beispiel an ein Paar denken, das ein Kind durch einen Unfall verloren hat. Was sie sich vielleicht vorstellen, ist, dass sie das Kind zurückbringen. Aber in Wirklichkeit haben sie ein genetisch identisches Kind bekommen, das zwar körperlich sehr ähnlich ist, aber eine andere Persönlichkeit entwickelt - es erlebt ja ganz andere Dinge. Es ist keine Frage, dass die Eltern davon ausgehen, ihr totes Kind wieder zu haben. Sie werden dem Kind sagen: Wir erwarten, dass du dich so und so verhältst. So sollte man ein Kind nicht behandeln. Also selbst wenn es funktionieren würde, würde ich keinen Menschen klonen.

Sie haben ja gesagt, dass Sie voraussichtlich im nächsten Jahr mit dem therapeutischen Klonen anfangen wollen. Dabei werden zu medizinischen Zwecken menschliche Embryonen geklont, aber nicht in die Gebärmutter eingepflanzt. In Deutschland ist das verboten und wird es wohl auch bleiben.

Das ist nicht der einzige Unterschied zwischen unseren Ländern. Die USA regulieren da überhaupt nichts. Für mich ist das Wichtigste, dass jede Gesellschaft ihr eigenes Urteil fällt. Ich erwarte, dass sich mit wachsender Erfahrung die Rechtslage in den nächsten Jahrzehnten angleichen wird. Meines Wissens hat Deutschland zunächst die Reagenzglasbefruchtung, die In-vitro-Fertilisation, als Behandlung der Unfruchtbarkeit nicht erlaubt. Aber jetzt ist das möglich. Dabei benutzt man Wissen, das in Großbritannien, den USA und Frankreich gesammelt wurde. Beim Klonen wird es vielleicht genauso sein.

Warum halten Sie es für gerechtfertigt, zu klonen - wenn auch nicht Menschen, so doch zumindest menschliche Embryonen im Reagenzglas?

Zunächst einmal: Hier geht es um die Behandlung schwerer Krankheiten. Ich finde es in Ordnung, weil der Embryo nur ein zehntel Millimeter groß ist, gerade eben mit dem bloßen Auge erkennbar. Es ist eine Gruppe von 200 Zellen, die sich kaum unterscheiden. Es gibt kein Nervensystem, es gibt keine Möglichkeit des Bewusstseins. Es ist zwar menschlich, ein potenzielles Baby, aber es ist eben noch kein Baby.

Könnte es der Zelltherapie, wie Sie sie entwickeln, nicht auch so gehen wie der Gentherapie? Die bekam eine Menge Vorschusslorbeeren, aber enttäuschte bisher.

Manchmal, fürchte ich, wollen wir mehr erreichen, als wir können. Es gibt viele Schwierigkeiten zu überwinden. Aber Wissenschaftler sind nun mal Optimisten - sie machen etwas in der Hoffnung, dass es irgendjemandem helfen könnte. Das ist die öffentliche Rechtfertigung. Ein wenig hoffen sie damit auch, Fördermittel vom Staat oder von privaten Firmen zu bekommen.

Würden Sie sich verantwortlich fühlen, wenn die Klontechnik missbraucht wird?

Nein, aber ich wäre enttäuscht. In Deutschland kommen Leute bei Verkehrsunfällen um. Sind die Erfinder verantwortlich oder derjenige, der den Unfall verursacht hat? Das Gleiche gilt fürs Klonen. Es gibt noch einen weiteren Punkt: Jede Technik hat eine gute und eine schlechte Seite. Die gleiche Physik, die dieses Aufnahmegerät oder diese Fotokamera ermöglicht hat, hat vor einem halben Jahrhundert zwei japanische Städte ausgelöscht.

In dieser Woche haben sich in Rom Experten getroff

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