zum Hauptinhalt

Kultur: Ich glaube nicht an Wurzeln

Fatih Akin über seinen neuen Film „Solino“, über Ausländerfeindlichkeit – und die schöne Zeit mit dem Super8-Projektor

Nach der Gangsterballade „kurz und schmerzlos“ (1998) und dem RoadMovie „Im Juli“ (2000) entdeckt Fatih Akin das Genre des Familiendramas. „Solino“ heißt der dritte Film des 29-jährigen Regisseurs, der als Kind türkischer Einwanderer in Hamburg geboren wurde.

In Ihrem Dokumentarfilm „Wir haben vergessen, zurückzukehren“ geht es auch um die Erfahrungen ihrer Eltern als türkische Gastarbeiter. Hatte diese Arbeit Einfluss auf „Solino“?

Ja, er war fast eine Vorarbeit. Einige Anekdoten, die meine Eltern mir erzählt haben, sind im Spielfilm gelandet. In einer Szene etwa stellt Frau Amato völlig entsetzt fest, dass man sich in der Duisburger Wohnung die Toilette mit den Nachbarn teilen muss.

Die Familie Amato erlebt das Deuschland jener Zeit als grau und unfreundlich. Aber sie kann sich trotzdem ganz gut etablieren; von Ausländerfeindlichkeit keine Spur.

Schon bei „Wir haben vergessen, zurückzukehren“ sagten mir nicht nur meine Eltern, dass sie so etwas wie Ausländerfeindlichkeit kaum erlebt haben. Ausländerfeindlichkeit hat damals scheinbar nicht so eine Rolle gespielt – oder in einer viel subtileren Form. Das Wort Gastarbeiter ist ja für viele bereits ein Beleg dafür – dabei ist das doch ein putziges, ein bildliches Wort.

Wie hätte der Film ausgesehen, wenn es um türkische Gastarbeiter gegangen wäre?

Wenn es Türken gewesen wären, wäre ich vielleicht ertrunken in der Thematik. Nur sah das Drehbuch nun mal vor, dass es Italiener sind. Und dadurch ist mein Blick auch distanzierter – zumal ich in einer Sprache inszeniert habe, die ich nicht verstehe. Es hieß da beim Dreh nur: „Redet mal, macht mal.“ Die Übersetzer habe ich dann nachher gefragt: „War das okay?“

Diese Figur des Gigi, die Hauptrolle, muss Ihnen sehr gelegen haben. Schon als Kind entpuppt er sich als der geborene Filmemacher.

Die Figur steht schon in Ruth Tomas Drebuch, an dem ich nur Nuancen geändert habe. Aber die Gigi-Figur war geradezu maßgeschneidert für mich. Obwohl, ich hatte keine Kamera entdeckt, sondern einen Super-8-Projektor, da war ich sechs oder sieben Jahre alt. Mit meinem Cousin guckte ich den Bruce-Lee-Film „Todesgrüße aus Shanghai“ – nur den ersten von vier Teilen. Den haben wir immer wieder auf Laken oder einfach auf die weiße Wand projiziert.

Haben Sie auch zuerst einen Dokumentarfilm gedreht?

Einen Film über meine Freunde. Im Haus der Jugend, wo ich damals abhing, so eine Mischung aus Videoclip und Dokumentation. Der Film hatte viel mit Hip Hop zu tun, ich war sechzehn. Gigi dagegen dreht auf Umkehrmaterial und in Schwarzweiß. Aber auch bei ihm geht es immer um seine Umgebung, genauso wie bei mir.

Am Ende zeigt Ihr Film ein sehr sonniges Italien. Haben Sie den Süden bewusst verklärt.

Wir haben uns bemüht, kein Postkarten-Italien zu zeigen. Es musste ja auch einen Grund geben, warum Leute ihre Heimat aufgeben und nach Duisburg gehen. Aber Bilder einzufangen, die nicht schön sind, ist schwer in Italien. „Bella Italia“ aber wird vor allem durch Ada, durch die Frau, verkörpert. Danach sieht Gigi vieles durch sie.

Geht es vor allem um kulturelle Identität, um das Wiederfinden von Wurzeln?

Ich glaube nicht so recht an Wurzeln. Es geht um Menschen, nicht um Bäume. Ich glaube eher, es ist nicht wichtig, wo du bist. Sondern es ist wichtig, was du machst. Wenn ich eine Message habe, dann diese kurze, einfache Formel.

Mit jedem Film entfernen Sie sich mehr von Ihrem vertrauten Milieu. Streben Sie so etwas wie einen europäischen Film an?

„Solino“, der letzte meiner ersten drei Filme, ist mein Abschlussfilm als Regisseur. Mit der Trilogie „Liebe, Tod und Teufel“, an der ich jetzt arbeite, beginnt eine neue Periode. Der erste Teil in Hamburg und Istanbul knüpft ein wenig bei „kurz und schmerzlos“ an. Ich will an den Anfang zurück. Und dabei alles einbauen, was ich inzwischen kann.

Das Gespräch führte Lasse Ole Hempel.

-

Zur Startseite