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Kultur: "Ich habe Lust, ins Haifischbecken zu springen"

Nike Wagner zählt zu den interessantesten Kandidaten für die Nachfolge des Bayreuther Festspielchefs Wolfgang Wagner. Die 1945 als drittes Kind des Wolfgang-Bruders Wieland Wagner geboren Nike studierte Theater-, Musik- und Literaturwissenschaft und promovierte 1973 über Karl Kraus.

Nike Wagner zählt zu den interessantesten Kandidaten für die Nachfolge des Bayreuther Festspielchefs Wolfgang Wagner. Die 1945 als drittes Kind des Wolfgang-Bruders Wieland Wagner geboren Nike studierte Theater-, Musik- und Literaturwissenschaft und promovierte 1973 über Karl Kraus. Seitdem hat sie sich in mehreren Publikationen mit der Rezeption von Richard Wagner auseinandergesetzt. Ihr jüngstes Buch "Wagner Theater", in dem sie unter anderem ein Psychogramm des Wagner-Clans zeichnet, erregte im vergangenen Sommer Kontroversen und wurde zugleich für die luziden Analysen der Opern gelobt. Mit Nike Wagner sprach Frederik Hanssen.Frau Wagner, Ihr 79jähriger Onkel Wolfgang hat gerade angekündigt, über das Jahr 2001 hinaus Festspielchef bleiben zu wollen. Die Streichung von 480 000 Mark Bundessubvention zwängen ihn nun zum Weitermachen. Fällt Ihnen dazu noch etwas ein?Das sind Scheinargumente. Es mag richtig sein, daß die Kürzungen in der laufenden Planungsphase des "Rings" im Jahr 2000 unangenehm sind. Aber hat man sich denn in Bayreuth noch nie Gedanken gemacht, daß man sich wie in Salzburg um Privatsponsoren für einzelne Projekte kümmern könnte? In Bayreuth wird immer wieder ein großer technischer Aufwand in den Inszenierungen getrieben. Ein bißchen arte povera wäre nicht so schlimm.Wolfgang Wagner erinnert an die britische Queen Elizabeth. Auch sie weigert sich abzudanken, obwohl ihr Sohn Charles seit Jahrzehnten bereitsteht.Altersstarrsinn ist offensichtlich kein rein männliches Phänomen. Aber im Ernst: Obwohl es meine Generation nicht sehr gerne hat, mit Prinz Charles verglichen zu werden, liegt die Parallele auf der Hand. Es ist in diesem Zusammenhang wichtig, darauf hinzuweisen, wie Wolfgang Wagner die Öffentlichkeit an der Nase herumführt: Einerseits führt er mit Blick auf seine Kinder aus erster Ehe und die seines Bruders anti-dynastische Reden, andererseits sind für seine privaten Zukunftsvorstellungen von Bayreuth die Gene sehr wohl ein Argument, wenn er seine Frau und seine 1978 geborene Tochter für die künstlerische Leitung vorschlägt.Um bei der Queen zu bleiben: Das ist, als schlüge sie Prinz Philip als Thronfolger vor.Die guten Eheleute Wolfgang und Gudrun würden im Fall ihrer Ernennung einfach den Platz tauschen. Und das soll ein Wechsel sein? Der alte Herr bleibt dann selbstverständlich weiter inoffiziell im Amt. Auch die Einbeziehung eines Dirigenten, wie es die Bewerbung Wolfgangs vorsieht, würde an dieser Augenwischerei nichts ändern.Sie haben Gudrun Wagner vorgeworfen, sie habe "nicht das intellektuelle Format" für den Posten des Festspielleiters. Über den "Spiegel" läßt Gudrun nun verlauten: "Wer so etwas sagt, dem fehlt es zwar nicht an Arroganz, aber es mangelt ihm an Intelligenz."Man kann viel gegen mich sagen, aber das mit der mangelnden Intelligenz klingt gegenüber einer Frau Dr. phil. lächerlich. Das nimmt auch niemand ernst. Viel gravierender ist, daß für die Leitung der Festspiele eine Fremdsprachensekretärin vorgeschlagen wird. Als Wolfgangs Assistentin mag sie Praxiserfahrung haben. Für die Leitung brauchen wir eine Persönlichkeit aus Kunst und Kultur.Das empfindet Wolfgang Wagner, der inszenierende Verwaltungsdirektor, aber anders. Er wirft den anderen Familienmitgliedern ja gerade vor, daß diese keine Erfahrung mit der Verwaltung eines Theaters hätten.Ich hoffe, daß niemand auf die Idee kommt, nachzuforschen, mit welcher Qualifikation er 1951 in die Leitung der Bayreuther Festspiele gekommen ist. Kaufmännisch versierte Mitarbeiter kann man sich immer in sein Team holen. Aber ich verstehe Bayreuth als ein Kunst-Haus, und das verkommt zusehends, wenn kein stringentes künstlerisches Konzept vorhanden ist, wenn es keine Bayreuther Dramaturgie gibt. Daß jedes Jahr hervorragende Namen zusammengewürfelt werden, genügt nicht. Festspiele haben grundsätzlich die Aufgabe, etwas Außerordentliches zu bieten.Welches Konzept hätten Sie denn? Eine Ausweitung des Spielplans über Wagner hinaus?Ich muß mich an die Satzung halten, daß in Bayreuth nur Werke von Wagner gespielt werden dürfen. Aber innerhalb dieses Rahmens könnte man jede Menge neuer Ideen realisieren.Sie sind bereit, ins Haifischbecken Bayreuth zu springen, wenn man Ihnen die Chance dazu gäbe?Ja, ich habe Lust. Ich gehöre zur letzten Generation, die noch in Wahnfried aufgewachsen ist und die die Arbeit von Wieland Wagner miterlebt hat. Ich würde mir einen erfahrenen Theaterleiter an die Seite holen, der selber keine Ambitionen auf künstlerische Selbstverwirklichung hat. Und natürlich würde ich sehr gern mit Verwandten aus meiner Generation zusammenarbeiten.

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