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Kultur: Ich hasse Ironie

The Darkness bringen den Glamrock zurück. Nun schon zum zweiten Mal

Leider ist das Schönste, was man über diese Band sagen kann, schon gesagt worden. Vor zwei Jahren. Da war gerade „Permission to Land“ erschienen, das Debütalbum der britischen Rockband, die sich The Darkness nennt und die es eigentlich nicht geben dürfte. Weil: viel zu glam, zu gespreizt, zu hoch geföhnt und dauergewellt. Und so fand sich unter etlichen Erklärungsversuchen der eine schöne „FAZ“-Satz, dass auch in der Rockmusik das Verdrängte stets mit Macht zurückkehrt. Das stimmt. Leider. Umso heftiger sind die Abwehrreflexe. Oder sollte man mit Blick auf die eigene Seelenhygiene das Getöse begrüßen, das die nach eigenen Angaben „beste Band der Welt“ veranstaltet? Angesichts von 3,5 Millionen verkauften Platten macht es eine Konfrontationstherapie unumgänglich.

Dass es sich um eine Wiederkehr handelt, illustriert die britische Band um Sänger Justin Hawkins auf ihrem zweiten Album „One Way Ticket to Hell . . . and back“ (Warner) schon allein dadurch, dass sich zum Auftakt ein mächtiges, kosmisches Rauschen aus der Tiefe erhebt – und in einem Panflöten-Vorspiel mündet. Es soll in den Bergen von Peru aufgenommen sein. Man fasst es nicht! Später werden sich noch Mellotrons, eine Sitar, Flügelhörner, Dudelsäcke und ein Streichorchester hinzugesellen. Aber zunächst zieht sich erst mal jemand eine Kokain-Dosis in die Nase (Schnief, schnief), eine Kuhglocke gibt den Takt vor, und der eigentliche Akteur tritt auf: die E-Gitarre. Das kurze Riff klingt verdächtig nach AC/DC und hat nicht sehr viel mehr zu verkünden als: Laut ist geil.

Richtig gespenstisch aber wird es, wenn die Band zum Refrain ansetzt. Da schraubt sich der Gesang in mehrstimmige Höhen, bohrt sich der Rocklärm in eine kreischende Glückseligkeit hinein, die mit Namen wie Status Quo, Foreigner, Boston, Van Halen und Queen verknüpft ist; die meisten davon vergessen. Man nennt so etwas „Schweinerock“. Eine überspannte Anbetung all dessen, was gegen die Rock-Kultur immer schon vorgebracht wurde. Dass sie selbstverliebt, einfältig und chauvinistisch sei. Genau das will die Musik von The Darkness nun wirklich wieder sein.

Es ist beschämend, mit musikalischen Traditionen konfrontiert zu werden, die völlig zu Recht untergegangen zu sein scheinen, aber in der ländlichen Provinz Artenschutz genießen. The Darkness stammen aus Lowestoft, einem Nest an der englischen Ostküste, über das der Schriftsteller W.G. Sebald einmal bemerkte: „Ich war nicht vorbereitet auf das Gefühl von Niedergeschlagenheit, das mich in Lowestoft sofort ergriff.“ Trotzdem: Die verschwitzt-euphorische Glamrock-Rehabilitation von The Darkness verdankt sich keineswegs erdabgewandter Hard-Rock-Folklore, die an alten Tugenden umso erbitterter festhält, je hinfälliger sie sind.

Der Legende nach tingelte das Quartett, zu dem neben Sänger Justin Hawkins noch dessen Bruder Dan an der Gitarre sowie Francis Poullain am Bass und Drummer Ed Graham gehörten, lange als Coverband herum. Sie spielten die akribisch ausarrangierten Rockopern des Heavy Metal nach und wären wohl auch eine lokale Größe geblieben, wenn Justin nicht eines Tages begonnen hätte, seinen leptosomen Körper in einen Spandex-Anzug mit Leopardenfell-Muster zu zwängen. Plötzlich fielen die Burschen sogar in London durch ihre Extravaganz auf. Als Treppenwitz der Pop-Geschichte, der vier Wochen lang die britischen Charts anführte und drei Brit-Awards einheimste.

Sie sind Vorboten eines Umschwungs. Unter den jungen Bands des „Brit-Pack“ („Q-Magazine“) beanspruchen The Darkness nicht nur äußerlich eine Sonderrolle. Während der Gitarrenrock von so skrupulösen Bands wie Coldplay geprägt wird, den so genannten „Shoegazer- Bands“, die bei Konzerten ständig auf ihre Schuhe schauen und das Publikum mit der Zwangsvorstellung einer künstlerischen Integrität terrorisieren, verhehlen The Darkness die Freude an der Verführungskraft ihrer raffinierten Pop- Nummern keineswegs. Ihre Musik ist nicht in einer Garage entstanden und schon gar nicht für sie gemacht. Sie hat auch keine Botschaften zu vermitteln, außer vielleicht der einen, dass Rockmusik als Großformat zu sich selber gelangt.

So strahlen einen auch auf „One Way Ticket to Hell . . . and back“ jene hybriden Entertainmentgelüste an, aus denen eine erschreckend virtuose Leere spricht. Was sind schon rasende Gitarren-Duelle, unisono gespielt, anderes als furiose Spektakel? Da liegt es nahe, das Ganze als Parodie auf die Rock’n’Roll-Orthodoxie eines Lou Reed abzutun. Aber dagegen haben sich The Darkness stets verwahrt. Mit Ironie habe ihre Musik nichts zu tun, sagen sie („wie ich dieses Wort hasse“).

An so viel Ernsthaftigkeit wäre die Band denn auch beinahe zerbrochen. Schon im Studio wollte sie nichts weniger als „verdammte Rock-Klassiker“ schreiben. Doch erst als der Bassist durch Richie Edwards ersetzt wurde, war das pompöse Werk gerettet. „Is It Just Me?“ klingt wie etwas, das es vor Erfindung der CD schon gab. Grandiose Rockhymnen wie „Dinner Lady Arms“, „Hazel Eyes“ und „Bald“ stolzieren im Glanz der Operette durchs Ohr. Jaulende Gitarren-Soli, pathetische Falsett-Chöre und Breitwand-Akkorde: Die Werkzeuge des Rock-Evangeliums sind unfehlbar. Aber es gibt auch Anzeichen erster Erschöpfung. Ambitionen wiegen in diesem Genre schwer.

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