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Liebesgeflüstertüte. Morenike Fadayomi umgarnt Egils Silins, in Thilo Reinhardts Inszenierung. Foto: dapd

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Kultur: Ich steh’ auf Che

Richard Strauss’ „Salome“ als Comicstrip an der Komischen Oper

Es ist Nacht im Garten der Macht. Herausgetreten aus der klassizistischen Potentatenherberge, die sehr ans Weiße Haus gemahnt, ringt eine Gesellschaft am Rande des Abgrunds noch einmal nach Luft. Söldner hantieren an Gewehren und Gemächten. Dort, wo einst ein Springbrunnen für Kühle sorgte, wird nun ein Aktivist festgehalten. Gebunden, aber mit Spruchband und Megaphon ausgestattet, hockt er in der Grube und kündet ungehindert das Kommen des Messias und den Untergang von Herodes. Dem gelüstet es nur noch nach Salome, der Tochter seiner Frau – und in diesem Wunsch will er vergehen, Angst und längst unverständliches Welttreiben vergessend.

„Salome“ an der Komischen Oper Berlin: Das sind schnelle, harte Striche, die sich zu einer Comic-Schraffur ballen. Blutlachen rollen sich aus wie Sprechblasen, die Perspektive ist aufs heftigste gestürzt, und wer es noch immer nicht kapiert, dass es hier echt krass zugeht, für den fällt in Riesenlettern die Kraftlautmalerei „Kawoom!“ vom Schnürboden.

Regisseur Thilo Reinhardt und sein Bühnenbildner Paul Zoller suchen nach einer Entsprechung für jene Décadence, die Richard Strauss 1905 so rauschhaft durch seine Partitur strömen ließ. Ihre Salome ist ein Pop-up-Girl mit kurzem Röckchen, in dem sich irgendwie der Traum nach einem anderen Lifestyle rührt, als sie auf den Propheten Jochanaan mit seiner silbernen Flüstertüte aufmerksam wird.

Fassungslos über seine Zurückweisung, versucht Salome, sich den widerstrebenden Männerkörper einzuverleiben. Die unmotiviert abgebrochene Vergewaltigung mit umgekehrten Rollen mag als Sinnbild für die Inszenierung gelten. Reinhardts Salome-Taktik: Wir stellen hier und da etwas aufs Dramaturgen- Köpfchen und ballern dann ganz viele Bilder drauf, irgendeines wird schon verfangen.

Was sich genau abspielt, als pünktlich zum „Tanz der sieben Schleier“ die Drehbühne Fahrt aufnimmt, und ein Ach-wie- verrückt-ist-doch-die-Welt-Comicstrip abläuft, lässt sich schwer fassen. Salome jedenfalls jubelt Maschinengewehr schwenkend im Fond eines Autos, das von Jochanaan als Che-Guevara-Imitat gesteuert wird. Wie sie es hinbekommt, am Ende in Armeehose sowohl die verderbte Elterngeneration als auch den doktrinären Propheten hinter sich zu lassen, bleibt schleierhaft.

Von derart leichtem Gewirk ist Alexander Vedernikovs Dirigat nicht. Die opulente „Salome“-Musik lässt er mit kräftigem symphonischen Selbstbewusstsein aus dem Graben schwellen. Dabei reißt er zarte Klangfarbennester mit sich, Inseln von schwankendem harmonischen Grund werden überspült, die Sänger zum Schwimmen gezwungen. Am besten kommt damit der erfahrene Andreas Conrad zurecht, dessen bebender Herodes stimmlich wie darstellerisch das Ensemble überragt. Morenike Fadayomis Salome stöckelt mit verlorenem Vibrato in den Abend hinein und gewinnt ihrer Stimme nach und nach festere, wenn auch monochrome Konturen ab. Das passt ins Bühnenbild – und geht darin auf. Salome was here.

Wieder am 15., 23. und 29. April sowie am 6., 17. und 21. Mai

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