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Kultur: Idylle mit Aussicht

KUNST

Auf existentielle innere Not folgt zuweilen der Hang zur Idylle. Dem Maler und engagierten Kommunisten Otto Nagel (1894 -1967) verboten die Nationalsozialisten 1933 die Arbeit im Atelier. Fortan machte er die Straßen, Bahndämme und Kneipen des proletarischen Berliner Nordens zum Ort seiner künstlerischen Produktion. Nagels Augenmerk wandte sich ob dieser Hemmnisse fast zwangsläufig vom harten sozialrealistischen Typenporträt zur atmosphärisch dichten Stadtlandschaft.

1939 entdeckt der gleichermaßen an Heinrich Zille wie Adolph Menzel geschulte Autodidakt die letzten Reste Alt-Berlins um Friedrichsgracht und Fischerkiez. Sein Anspruch, „einen Eindruck vom Aussehen der alten Gassen, Häuser und Höfe vor der großen Vernichtung zu geben“, erfüllt sich in einer elegischen Sicht auf die von Hitlers Größenwahn, von Bombenkrieg und Wiederaufbau bedrohte Stadt. Eine ansehnliche Auswahl der kleinformatigen Stadtporträts – zumeist aus der Sammlung der Bankgesellschaft Berlin – breitet nun das Käthe-Kollwitz-Museum (Fasanenstraße 24, bis 17. März, kein Katalog) vor dem biografischen Hintergrund der Freundschaft Nagels mit der 27 Jahre älteren Künstlerin aus.

Sie sah in dem Arbeitersohn – trotz unterschiedlicher sozialer Milieus – wohl einen Ersatz für ihren 1914 gefallenen Sohn Peter. Als Dank für gemeinsame Ausstellungen organisierte Nagel 1932 eine Kollwitz-Retrospektive in Moskau. Und obwohl er sich in der Nachkriegszeit als Präsident der Ost-Berliner Akademie zu künstlerischer Bravheit verpflichtet fühlte, sorgte Nagel für eine differenzierte Sicht auf das Werk der Kollwitz in der DDR.

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