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Die Zigaretten sind geraucht. Iggy Pop hält sich mit Schwimmen fit.

© Virgin Music Germany

Iggy Pop: "Von Hunden kann man viel lernen"

Punk trifft Chanson: Ein Gespräch mit Iggy Pop, der am Sonntag mit den Stooges beim Greenville Music Festival in Brandenburg auftritt.

Herr Pop, Sie sind im April 65 Jahre alt geworden. Wenn Sie sich an Ihre Jugend erinnern, was nervte damals am meisten?

Finanzielle Unsicherheit war mein Hauptproblem. Und die elementaren Kräfte der Schönheit.

Erinnern Sie sich an Ihren ersten Besuch in Berlin?

Ja, das muss 1976 gewesen sein. Es wirkte auf mich so, als ob es verschiedene Berlins gab. Eines dieser Berlins war eine ausgedehnte Metropole, die überraschenderweise Seen und Wälder umfasste. Ein anderes Berlin war das innerstädtische Zentrum mit seinen linksradikalen Studenten und westdeutschen Kriegsdienstverweigerern, mit seinen S- und U-Bahnen – ich fuhr immer am liebsten S-Bahn.

Waren Sie auch im Ostteil der Stadt?

Ich liebte es, dorthin zu fahren. Im Osten gab es damals Reklame ohne Markennamen! Meine liebste war eine große, an einer Hauswand befestigte Neon-Milchflasche. Darauf stand einfach: „Trinkt Milch!“ Es wirkt heute lustig, aber nur, weil der zügellose Kapitalismus uns konditioniert hat. Denken Sie mal darüber nach! Meinen Lieblingsstadtteil nannte ich immer „den übrig gebliebenen Teil“. Dort gab es Menschen, die aus einer anderen Zeit zu stammen schienen. Ich erinnere mich an eine Truppe sehr alter Menschen, die unglaublich gutes schwules Kabarett machten. Und ich erinnere mich an diese superpraktischen, seelenlosen Plattenbauten, in denen all die kleinen Christiane-F.-Menschen lebten. In Berlin ließen mich die Leute in Ruhe, ich bekam nichts aus den USA mit, es war großartig.

Eine politische Frage: Haben Sie jemals öffentlich die amerikanische Nationalhymne gesungen?

(lacht) Ich habe sie tatsächlich zwei oder drei Mal geprobt, denn vor ein paar Jahren sollte ich sie einmal vor einem Baseballspiel singen. Ich fragte mich, ob ich den Scheiß singen kann. Und siehe da: Ich kann.

Aber aufgetreten sind Sie damit nicht.

Nein. Ich wollte einfach nicht und außerdem war ich in Bulgarien oder so.

Menschen sind wie Hunde - und umgekehrt.

Lassen Sie uns über die Gegenwart sprechen. Glauben Sie immer noch an die heilende Wirkung von Kaffee und Zigaretten?

(lacht) Ich liebe meinen Kaffee, das Rauchen habe ich aufgegeben. Zigaretten sind etwas Wunderbares, aber rauchen kann ich sie nicht mehr. Mir wurde davon irgendwann schwindelig. Ich habe aber einen guten Ersatz gefunden: Schwimmen. Geholfen hat mir dabei mein Umzug von New York nach Miami. In den ersten Jahren war ich viel allein, hatte keinen Manager, keine Frau und keine Freundin, und da bin ich eben viel geschwommen.

Sie gelten als Hundefreund. Haben Sie momentan einen Hund?

Ich habe zwei. Sie sind wie ein kleines Ehepaar, Joey und Bonny. Joe ist sehr langsam und hat Wasser im Hirn. Er ist süß, weil er so langsam ist. Ich mag langsame Typen. Seine Frau Bonny wiegt ungefähr ein Kilo und erinnert mich manchmal an Vogue-Chefin Anna Wintour. Sie ist immer leicht griesgrämig und sehr dürr.

Sind Sie immer noch der Meinung, dass ein Hundedasein mehr Vorteile bietet als das menschliche Dasein?

Nein, das dachte ich früher. Aber immerhin hat man als Hund des Öfteren schöne Frauen um sich herum. Und ich denke, dass man von Hunden viel lernen kann.

Was denn zum Beispiel?

Die wichtigste Erkenntnis, die ich all meinen Hunden verdanke, ist, wie niederträchtig und berechenbar menschliche Emotionen und Reaktionen sind. Hunde verhalten sich nämlich genauso. Sie stellen auf stur, sie begehren und leiden, akzeptieren und weisen zurück, sie sind eifersüchtig. Die meisten dieser Verhaltensweisen sind nicht besonders nobel.

Kommen wir zur Musik. Ihr aktuelles Album enthält hauptsächlich Coverversionen französischer Klassiker, wie Edith Piafs „La vie en rose“. Wie viel Punkrock steckt darin?

Mit Punkrock hat das nichts zu tun. Wer mit mir redet, sollte immer daran denken, dass Punkrock nach mir benannt wurde und nicht andersherum. Später machten dann wesentlich jüngere, durch mich geprägte Leute Musik, die mit dem Etikett Punk vermarktet wurde. Ich bin zwar ein ziemlich punkiger Typ, aber nicht jederzeit. Vielleicht bin ich ein Punk, wenn ich offenherzig bin. Und wenn ich dichtmache, dann bin ich verdammt noch mal dicht.

Es gibt zu viele, zu sehr schlechte Gitarrenmusik machen.

Können Sie sich erklären, warum besonders Punk und Rock oft mit Authentizität in Verbindung gebracht werden?

Nein. Die Sex Pistols beispielsweise wurden von einem Ladenbesitzer, der eine gute Idee hatte, zusammengebastelt. Einer von ihnen konnte Songs schreiben, ein anderer Gitarre spielen und der dritte hatte schlechte Manieren. Perfekt! Sie hatten ein strenges künstlerisches Formbewusstsein. Aber das ist auch der Grund, warum sie nur eineinhalb Alben machen konnten. Das war’s, aber es hört sich immer noch gut an.

Im Zusammenhang mit ihrem Album „Préliminaires“ war davon zu lesen, dass Sie Gitarrenmusik extrem langweilt.

Richtig. Wie immer gibt es auch hier nur ein paar Leute, die es gut machen, und zu viele, die es sehr sehr schlecht machen.

Welche Instrumente empfehlen Sie jungen Menschen stattdessen?

Saxofon, Klarinette und Oboe sind sehr gute Instrumente. Neulich trat ich mit der Hip-Hop-Band The Roots im Fernsehen auf. Die hatten eine Tuba dabei, ein wundervolles Instrument. Aber sie ist schwer, das Mundstück ist riesig und das Blasen verlangt extrem viel Karma.

Schreiben Sie noch eigene Songs oder nehmen Sie nur noch Coverversionen auf?

Ich schreibe ständig, zurzeit an einem neuen Iggy-&-The-Stooges-Album. Es rockt wie ein Motherfucker.

Das Gespräch führte Lutz Happel. Greenville Music Festival, Paaren/Glien: 28./29.7. mit The Roots, Kettcar, Cro, Dizzee Rascal, Gemma Ray, Iggy & The Stooges u.v.a.. Zum Geschäft mit Festivals lesen Sie am Sonntag den Wirtschaftsteil des Tagesspiegel.

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