zum Hauptinhalt
Kann’s. Michael Bublé. Foto: Jerry Lampen/dpa

© dpa

Kultur: Illusionist des Intimen

Eine Klasse für sich: Michael Bublé in Berlin.

Immer machen die das in der O2-World. Fahren das Hallenlicht hoch, kaum dass sich der Vorhang hinter dem Sänger senkt, und werfen die Konservenmusik an. Und man steht da, hält das beim Schlusslied entzweigesprungene Herz in der Hand, sieht die Reihennachbarn aufbrechen und spürt wie einen Stich: Ein kostbarer Moment ist zu schnell vorbei. Dieser Nachklang grenzenloser Nähe, den Michael Bublé mit seiner letzten Zugabe „A Song For You“, der ultimativen Showbiz-Ballade von Leon Russell, geschaffen hat: „I’ve acted out my life in stages/With ten thousand people watching/ But we’re alone now and I’m singin’ this song to you.“ So allein und ohne das heruntergerissene Mikro in die Mehrzweckhalle gesungen ist die Nummer die Essenz dieses Abend fast perfekten Entertainments. Sozusagen die Verdichtung all dessen, was dieser musikalisch versierte Meisterillusionist menschlicher Nähe herzustellen in der Lage ist.

Zwei Stunden vorher hat seine Show zum aktuellen Album „To Be Loved“ ebenso stark begonnen: Auf ein Orchesterintro aus George Gershwins „Rhapsody in Blue“ folgt ein Feuerwerk aus Flammenzungen am Bühnenrand und Lava-Animationen auf Leinwänden und kunstvoll gebauschtem Vorhangstoff: Der 38 Jahre alte Crooner aus Kanada singt „Fever“. Aber wie. So laidback, mit so schlampig verschliffenem Text, lässiger geht’s nimmer. Sexier auch nicht. Und das seit immerhin seit zehn Jahren. „Fever“, die eigentlich völlig abgenudelte Little-Willie-John-Nummer von 1956, war 2003 einer der Hits seines allerersten Albums.

Inzwischen hat der italienschstämmige Fischersohn aus Vancouver, der als Teenager über Talentwettbewerbe zum Singen gekommen ist, 20 Millionen Tonträger verkauft und sich zum weltweiten Star der Sparte Standards aus Jazz und Pop gemausert. Schon der musikalisch abwechslungsreich interpretierte erste Block aus „Fever“, der Eigenkomposition „Haven’t Met You Yet“, „Try A Little Tenderness“, „You Make Me Feel So Young“ und Van Morrisons „Moondance“ zeigt, dass Bublé keineswegs nur ein Gewinnler des Swing- und Retropop-Hypes ist und auch kein klinischer Sinatra-Epigone.

Alte Schule, ja, das ist der warme Bariton schon: ein klassischer Crooner, der anderer Leute Lieder so kunstvoll covert, dass er sie zukünftig besitzt. Und der frei und frech genug ist, das Genre aufzubrechen und weiterzuentwickeln: mit einem Cover des jüngsten Daft-Punk-Hits „Get Lucky“ oder des gemeinsam mit der Vorgruppe Naturally 7 a cappella gesungenen Jackson-5-Songs „I Want You Back“.

Nicht jede der mehr als 20 Nummern des Gesangsmarathons überzeugt gleichermaßen: Im Romantikblock verliert Michael Bublé Spannung, und „All You Need Is Love“ im rot-weißen Herzchenkonfettiregen ist dann reine Partyjukebox zum Mitklatschen und Mitsingen. Aber der dauernd die Nähe zum Publikum suchende, sich mehrfach unters Volk mischende, mit einer Tanja fürs Fanfoto posierende, für alles und jedes dankende und trotzdem ausgesprochen selbstironische Entertainer Michael Bublé überzeugt. Und der Rahmen, den er sich setzt: der Smoking, die Lackschuhe, die schmale Fliege, das erstklassige, um eine Berliner Streicherinnensektion aufgestockte Orchester, die stylishen Glitzeranimationen. Bis auf des Sängers stoppeliges Kinn ist alles hochglanzpoliert, aber trotzdem ist nicht alles Oberfläche. Am ehesten noch die wohl in Berlin, München oder Mannheim gleich ausfallenden Ansagen des Charmebolzens. „Please, stop loving me so much“, ruft Michael Bublé einmal gespielt gequält in den Jubel. Der Junge ist auch als Poser klasse. Gunda Bartels

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false