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Kultur: Im Blutbad

Nach der Attacke des israelischen Botschafters in einer Stockholmer Ausstellung eskaliert der politische Streit

Die Attacke des israelischen Botschafters Zvi Mazels auf eine Installation im Stockholmer Historischen Museum hat sich inzwischen zu einem politischen Großstreit ausgewachsen. Mazel hatte auf einer Vernissage zum Auftakt der Stockholmer Völkermordkonferenz eine provokative Installation demoliert. Zunächst schaltete der Diplomat die Beleuchtungslampen rund um das Objekt aus, um dann einen der Scheinwerfer mitten in die Installation „Schneewittchen und der Wahnsinn der Wahrheit” zu werfen.

Das schwedische Künstlerehepaar Gunilla Sköld und Dror Feiler, selbst israelischen Ursprungs, hatte für die Ausstellungsreihe „Making Differences” ein blutrot gefülltes Wasserbassin errichtet, in dem ein weißes Boot schwimmt, auf dessen Segel das Gesicht der palästinensischen Selbstmordattentäterin Hanadi Jaradat zu sehen ist. Ihre Fotografie ähnelt typischen palästinensischen Huldigungsporträts. Jaradats Lippen sind, ähnlich wie das Wasser, rot gefärbt. Dazu erklingt von Bach „Mein Herz schwimmt in Blut".

Nach dem Zwischenfall bekam Mazel Rückendeckung von höchster Stelle: Israes Premierminister Ariel Sharon dankte ihm telefonisch für das Eingreifen und forderte die Entfernung des aus seiner Sicht antisemitischen Kunstwerks auf. Außenminister Sylvan Shalom drohte mit dem Boykott der am 26. Januar beginnenden Völkermordkonferenz, falls die schwedische Regierung nicht offiziell Abstand von der Installation nehme. Schweden habe die Vereinbarung gebrochen, nach welcher der Nahostkonflikt auf der Konferenz ausgeklammert werden solle.

Bereits einen Tag nach dem Zwischenfall war die Installation wieder instand gesetzt und sogar erweitert. Ein jüdischer Aktivist hatte ein zweites Segelboot in das Blutwasser gelassen, diesmal mit einem Porträt von Mijailo Mijailovic auf den Segeln, dem Mörder der schwedischen Außenministerin Lindh. Auch nach einem einstündigen Gespräch im Außenministerium am Montag rückte Botschafter Mazel nicht von seiner Auffassung ab. „Das ist kein Kunstwerk. Das ist politische Provokation”, sagte Mazel anschließend. Das schwedische Außenministerium erklärte wiederum, dass man irritiert sei, aber die Erregung des Botschafters verstehe. Premierminister Göran Persson hingegen nannte das Verhalten des Botschafters „inakzeptabel“: „Man darf ein Werk dieser Art gut oder schlecht finden, muss aber die Freiheit der Kunst respektieren. Außenstehende haben nicht das Recht, ein Kunstwerk auf diese Weise zu beschädigen.“

Während die israelische Regierung und Medien des Landes davon überzeugt sind, dass die Installation einer Terroristin huldigt, glauben schwedische Politiker an ein Missverständnis. „Die Selbstmordattentäterin schwimmt nicht in Blumen, sondern in Blut – im Blut ihrer Opfer,“ rechtfertigte sich der Künstler, der in der Vergangenheit mit anderen jüdischen Intellektuellen die Politik Sharons als „größte Bedrohung für die Juden selbst“ kritisiert hatte. Als israelischer Soldat hatte Dror Feiler Anfang der Siebzigerjahre den Dienst verweigert, als er in den besetzten Gazastreifen abkommandiert wurde. Daraufhin emigrierte er nach Schweden. „Ich habe mein ganzes Leben für die Versöhnung mit den Palästinensern gearbeitet“, so Feiler, „und für eine Zweistaatenlösung.” Sein Werk weise nur auf die Mechanismen hin, die einen Selbstmordattentäter erst schaffen.

Jonas Jonsson

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