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Kultur: Im Faden-Kreuz

Rosemarie Trockels Werkschau „Post-Menopause“ in Köln

Nein, schön ist es nicht. Sondern sperrig, verstörend, rätselhaft. Rosemarie Trockels Werkschau im Kölner Ludwig Museum mit dem neugeschöpften Titel „Post-Menopause“ macht es dem Besucher nicht leicht. Die Ausstellung der seit über 25 Jahren aktiven Künstlerin bietet keine Heranführung oder Einweisung, keine erklärenden Schilder und Deutungen. Die Skulpturen, Assemblagen, Zeichnungen, Installationen, Fotografien, Videos und natürlich die Strickbilder, mit denen die 53-Jährige in den Achtzigern berühmt wurde, stehen in den großzügigen Sonderräumen des Museums für sich.

Rosemarie Trockel, die sich als eine der wenigen Frauen ihrer Generation im männerdominierten und –geprägten Kunstbetrieb durchsetzen konnte und heute zu den erfolgreichsten deutschen Künstlerinnen mit großem Einfluss auf die internationale, auch junge Szene gehört, hat die Kölner Einzelausstellung selbst entworfen und ausgeführt. Einige der gezeigten Exponate sind extra entstanden, so der riesige Vorhang aus Teppichwollfäden gleich am Eingang, in dem sich Kinder von Besuchern lachend verlieren. In ihm klingt die – oft ironisch gebrochene – spielerische Auseinandersetzung Trockels mit eigenen und fremden Kunstwerken an. Die hellen Fäden, deren Material sich in ihren Strickbildern wiederfinden, sind unten rot eingefärbt, passend zu den Terrakottafliesen des Museums. Manche werden von großen Tellern aufgefangen. Die Assoziation zu Spaghetti drängt sich auf, eine Referenz an Martin Kippenberger, der dieses Motiv liebte. Dem Vorhang gegenüber hängt ein Plastik-Auge, die „Abfallkugel“ (2003-05), die als Überwachungssymbol – ähnlich wie schon bei Trockels Beitrag zur Biennale in Venedig 1999 oder dem begehbaren Haus zur Expo 2000 – ein weiteres wichtiges Thema der Künstlerin einführt: die Beobachtung.

Die 1952 im westfälischen Schwerte geborene Künstlerin hält beständig die Alltagswelt im Blick, dabei vor allem die Rolle der Frau in Gesellschaft und Kunst. Doch genauso vielfältig wie Trockels Materialien und Strategien sind auch ihre Positionen, die sie immer wieder mit allerlei Verweisen auf Pop- und Minimal Art, Künstler wie Rothko, Malewitsch, Warhol, Beuys, Polke oder eben sich selbst bricht, und die deshalb so schwer festzulegen sind. Unchronologisch präsentiert sie in „Post-Menopause“ ihre geheimnisvollen und irritierenden Kunstwerke. Gleich der erste Raum bietet ein Sammelsurium an Objekten und Installationen aus zwei Jahrzehnten künstlerischen Schaffens, wobei sich auf faszinierende Weise ältere Arbeiten unter die jüngeren mischen. Neben den Herdplatten an der Wand liegen in Regalkonstruktionen zahlreiche kleine Ready-mades. Heiligenfiguren neben Spiegeln, Köpfe aus Gips, mit Perücken, die durch ihren menschlichen Ausdruck unheimlich erscheinen. Bekannteres wie der „Schizopullover“ von 1988 mit zwei Öffnungen findet sich hier. Gegenüber den Regalen hängen die seit 2000 entstandenen „Moving Walls“, Mobiles aus beschichteten Aluminiumscheiben und Wollfäden, die Trockels definitorisch umgedeutetes Material der Wolle zitieren und weiterführen.

Ihre gestrickten Wollarbeiten bilden das Herzstück der Schau. Ihnen ist der 35 mal 15 Meter große „Heldensaal“ gewidmet. Die großformatigen Strickbilder, feministische Verballhornungen einer mit Heimchen und Herd konnotierten Beschäftigung, werden in Petersburger Hängung gezeigt. Die alten, maschinell hergestellten Werke, mit Symbolen wie Hakenkreuz, Playboybunny, Hammer und Sichel oder Delfter Kacheln aus den 80er Jahren hängen neben großen Musterproben, Siebdrucken auf Plexiglas, Styroporkugeln, die mit Wolle bestrickt sind, sowie Fotos und Filmen. Das Video „Yvonne“ (1997), eine Hommage an Frauen und Gestricktes, läuft auf einem Fernseher, um den herum im Film auftauchende Details wie das aufgeribbelte Strickkleid zu sehen sind. Trockels Auseinandersetzung mit dem Strickmotiv ist genauso vielschichtig und komplex wie ihr ganzes Werk. Waren die Bilder bisher perfekt, da maschinell gestrickt, sind die neueren Arbeiten von Hand gemacht. Das beeindruckend große, zartblaue Strickquadrat „Menopause“ von 2005 im schlichten Holzrahmen am Saalende enthält fehlerhafte Maschen, die aus den regelmäßigen Woll-Wellen herausstechen. Ist es eine Anspielung auf die vergangene Zeit der unfehlbaren maschinellen Produktion, nun, wo die Menopause als weibliche Phase des hormonellen Mangelzustandes, bei dem die Fruchtbarkeit versiegt, eingetreten ist?

Trockel geht noch einen Schritt weiter und läutet mit „Post-Menopause“ eine Phase ein, die sich wie die Postmoderne über einen tradierten (Kunst-)Begriff hinwegsetzt und neue Kriterien erfordert. Vielleicht ist deshalb ihr verstörender Kunst-Parcours so schwer verdaulich. Es bleiben mehr Fragen offen als beantwortet werden. Kühl entziehen sich die Objekte einer einzigen Assoziation oder Interpretation. Rosemarie Trockel ist eben eine eigene Kategorie.

Museum Ludwig Köln, bis 12. Februar, Di - So 10-18 Uhr, Katalog 28 Euro

Annika Hennebach

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