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Kultur: Im Frauenzimmer

Eine Geburtstagsausstellung zum 70. der Malerin Sarah Haffner

Da sitzt sie im „Selbstbildnis in einem Bild von Edward Hopper“: Sarah Haffner, mit ihren kurzen, dunklen Haaren und der prägnanten Rundbrille. Die Tasse hält sie ähnlich wie die einsame Frau der Vorlage von 1927. Doch wo in Hoppers „Automat“ die Figur starr in den Kaffeesatz blickt, mischt sich Haffners Nachdenklichkeit mit Skepsis und Trotz. Das Selbstporträt von 2007 (17 000 Euro) fokussiert die Hopper-Szenerie als Ausschnitt und ist in der flächigen Anlage, den herrschenden Blautönen und der räumlichen Konzentration doch ein typisches Haffner-Bild. Voller Melancholie und Einsamkeit und von einer Klarheit, die im Betrachter eigene Geschichten weckt.

„Man kann nur weglassen, wenn man etwas wegzulassen hat.“ Dass Tucholskys hellsichtiger Kommentar auch für die Künstlerin gilt, zeigt die Ausstellung, die Galerist Werner Tammen der in Cambridge geborenen Malerin zum 70. Geburtstag widmet. Mit rund 40 Porträts, Stadt- und Landschaftsbildern der vergangenen Jahre und mit einem Katalogbuch, in dem Freunde wie Hans-Christoph Buch oder Uwe Kolbe die Malerin feiern, die als Autorin selbst zu Wort kommt. Bis sie 14 war, wuchs Sarah Haffner in England auf, wohin die Eltern vor den Nazis geflüchtet waren. Aus dem quirligen London fiel sie 1954 ins dörfliche Lichterfelde-Ost. Das Gefühl des Fremdseins und permanenter Sehnsucht zieht sich durch ihr Leben und wird auch für die Bildwelten bestimmend.

Von Entrücktheit und Gespanntheit, von einer Trauer erzählen die großen Porträts. Menschen, die durch blinde Fenster blicken, ruhig und kontemplativ wie „Im Korridor“ (14 000 Euro), oder sich im Leben einrichten wie in „Vorgestern“ (12 000 Euro). Haffners Stadtveduten sind menschenleer, hinter fensterlosen Brandmauern bergen sie Geheimnisse. „Man schweigt in diesen Wänden / und dort die Weite hoch und dunkelblau“, hat Gottfried Benn in „Blaue Stunde“ geschrieben. Das Blau, insbesondere in seinen dunklen Schattierungen, bleibt Haffners stärkstes Kolorit. Ihm entlockt sie Variationen und Spektren, die die Farbe ins Symbolische steigern.

Während die Malerei von der Reduktion auf wesentliche Bildelemente lebt, von geometrischen Flächen, klaren Konturen und dem feinen Austarieren von Gegenständlichkeit und Abstraktion, entwerfen ihre Geschichten plastische und amüsante Genrebilder: ob von der Londoner Ursulinen-Schule, wo sie das einzige nicht-katholische Mädchen war. Ob als Tennisfan in Wimbledon oder in der Westberliner Kunst- und Literaturszene zu Zeiten der Studentenrevolte. Deren Losung „Schlagt die Germanistik tot, färbt die blaue Blume rot!“ mochte sich die an der Berliner Kunsthochschule ausgebildete Malerin allerdings nicht anschließen.

Ihr Sensorium für gesellschaftliche Missstände hat sie sich dennoch bewahrt. Egal ob es um Antisemitismus allgemein geht oder um ihre nächste Umgebung. Die häusliche Gewalt, die eine Nachbarin erlitt, und die Ignoranz offizieller Stellen animierten die Künstlerin Mitte der siebziger Jahre zu dem vielbeachteten Fernsehfilm „Schreien nützt nichts. Brutalität in der Ehe“. Sie engagierte sich in Bürgerinitiativen und im bundesweit ersten Frauenhaus. Um nach der frühen Scheidung für den Sohn sorgen zu können, arbeitete sie als Dozentin an einer Erzieherschule und später an der Kunsthochschule. Den Weg durch die ungeliebten Institutionen gab sie auf, als sie „nicht unbescheiden, aber gut von der Malerei leben“ konnte.

Wenn auch das Haar mittlerweile etwas Grau aufweist, wirkt Sarah Haffner bis heute, wie sie es selbst seit jeher schätzt: „Klein, schwarz und frech“. Die Nachbarschaft zu den herrlich bissigen Skulpturen von Volker März, die Tammen in einer Parallelausstellung zeigt, dürfte ihr gefallen.

Galerie Tammen, Friedrichstr. 210; bis 15.5. Di –Sa 12 –18 Uhr. Der Katalog „Blaulicht“ (Alexander Verlag) kostet 19,90 €.

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