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Kultur: Im Funkloch

Ingo Hülsmann inszeniert am Deutschen Theater

„Ich habe Zeit gehabt, über die Sache mit uns beiden nachzudenken, und ich glaube, wir lassen es besser“, murmelt ein schlaffer junger Mann (Pedro Stirner) in sein Handy. Dass er damit nicht gerade Avantgarde-Punkte sammelt, scheint auch Sergi Belbel klar zu sein, dem Autor dieser „digitalen Telefonkomödie“ in der Kammer-Box des Deutschen Theaters Berlin. Eine Beziehung per Mobiltelefon zu beenden, hat schließlich sogar die Bohlen-Ex Naddel schon vor fünf Jahren geschafft. Da kann das Handy doch mehr! Zum Beispiel Zivilcourage: „Mich kotzt der Tag an, da du sie geschwängert hast, du verfickter Hurenbock“, darf die 30-jährige Rosa (Alwara Höfels), die sich dank Mobiltelefonie offenbar kostspielige Emanzipationstherapiestunden erspart, denn auch bald ins Gerät brüllen. „Schluss, aus mit dem Leben in dieser Scheißdreckswelt, in der nur diese starken und selbstsicheren Männer kommandieren wie Papa. Wir müssen unsere Revolution machen, jede mit ihren eigenen Waffen.“

Adressatin dieses Appells ist die eher pazifistisch veranlagte Sara (Simone von Zglinicki), Rosas verhuschte Kleinbürgerinnen-Mama. Außerdem wirken in „Mobil“ mit: Die böse Mama-Variante, Karrierefrau Claudia (Isabel Schosnig) – die dominant-inzestuös auftrumpfende Mutter des schlaffen jungen Mannes, sowie: die allerböseste Seite des Handys. Und zwar in der zentralen Rolle, das Quartett aus dem defizitären Mobil- in den emotional korrekten Face-to-Face-Kuschelmodus zu hieven: Am Flughafen, von wo aus die Mütter die Telefonleitungen ihrer Kinder strapazieren, geht eine per Handy gezündete Bombe hoch, und Tochter und Sohn machen sich pflichtschuldig auf den Weg.

Ist es eine Farce? Oder gar der Versuch eines Problemstücks? Die Entscheidungsschwierigkeiten, unter denen Belbel beim Schreiben gelitten zu haben scheint, bleiben uns beim inszenatorischen Debüt des DT-Schauspielers Ingo Hülsmann erhalten. Immerhin hat er geschmackssicher das Finale gestrichen, das das Personal bei der kollektiv-feierlichen Handyentsorgung zeigt. Ansonsten bewegen sich die guten Schauspieler abendfüllend auf dem Mittelton – was weder besonders spannend noch lustig ist, aber wenigstens den Tritt ins Pathosnäpfchen vermeidet. Richtig peinlich wird der Abend nur ein einziges Mal: Wenn der junge Mann nackt unter die Havariedecke zur Kleinbürgerin schlüpft, während sich seine Mutter daneben in Tragödinnenpose das T-Shirt abstreift. Diesem Griff in die unterste Emotionalschublade hält Belbels Komödchen auf gar keinen Fall stand! Christine Wahl

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