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Kultur: Im Glashaus

Eine lange Geschichte: Das Jüdische Museum in München eröffnet – nicht ohne Querelen

Allmählich wird was aus dem Jakobsplatz, den die Münchner in den letzten Jahrzehnten nur als Ort städtischer Ödnis gekannt haben. Im November ist die neue Synagoge der Jüdischen Gemeinde eröffnet worden, die sich vor nichtjüdischen Hospitanten seitdem fast nicht mehr retten kann. Daneben kommt Leben ins Gemeindezentrum. Ein koscheres Restaurant steht allen offen, ebenso eine Schule. Nun ist auch das Jüdische Museum eröffnet, ein im Parterre licht verglaster Kubus, verwirklicht vom Saarbrücker Architekturbüro Wandel Hoefer Lorch. Er beherbergt eine ständige Sammlung – und auf zwei Etagen Wechselausstellungsräume nebst Bibliothek und Medienraum. Das sieht sehr schön und einladend aus, und der neue Direktor Bernhard Purin betont, dass hier keiner belehrt werden, sondern vielmehr etwas lernen solle. Und nicht nur über die Shoah.

Freilich müssen ganz offensichtlich zunächst einmal Beteiligte der Jüdischen Gemeinde und der Stadt, die das Museum für 13,5 Millionen Euro hat errichten lassen, wieder lernen, einigermaßen entspannt, formell korrekt und freundlich miteinander umzugehen. Dass es daran gehakt hat im Vorfeld der Eröffnung, räumt Oberbürgermeister Christian Ude zerknirscht ein. Beseligt wohl von der sehr harmonisch über die öffentliche Bühne gegangenen Synagogenöffnung hatte es die Stadt München nicht für nötig gehalten, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, Charlotte Knobloch, in die eigenen Planungen einzuweihen. Man bat sie lediglich zum Besuch des Rohbaus und schickte ihr dann eine Einladung zur festlichen Eröffnung. Die blieb seitens der Ehrenbürgerin der Stadt München unbeantwortet, weswegen die Protokollabteilung der Stadt telefonisch nachfragte. Schließlich sagte Frau Knobloch den Termin für eine Vorbesichtigung und die Eröffnung zu, zeigte sich aber dann aber doch erstaunt, dass sie nicht zur Pressekonferenz gebeten wurde. Diese wurde vom OB, seiner Kulturreferentin Lydia Hartl, der zuständigen Baureferentin und vom Museumsdirektor bestritten. Der Saal war mehr als voll – und die Stimmung doch einigermaßen gereizt. Es ist viel verletzte Eitelkeit im Spiel, und man ahnt, dass es auch in Zukunft nicht immer konfliktfrei zugehen wird auf diesem Areal. So setzt sich ein wenig farcenhaft fort, was Lydia Hartl die „wechselvolle Geschichte“ der jüdischen Museen in Europa nennt.

Mindestens merkwürdig darf man nennen, wie München auf diesem Gebiet mit seiner Geschichte umgegangen ist. Dass es nämlich nach dem Krieg überhaupt ein Jüdisches Museum gegeben hat, wenn auch mit 28 Quadratmetern Fläche in einer Dienstbotenwohnung in der Maximilianstraße ein winzig kleines, hatte man einem Goj zu verdanken, nämlich Richard Grimm. Als der Galerist 1989 daranging, einige Erinnerungsstücke privat auszustellen, vermerkte das Kulturamt in einer Akte: „Suspekt! Weiteres in dieser Sache nicht veranlasst.“ Diese Einschätzung immerhin hat sich dankenswerterweise geändert. Als Grimm gebrechlich wurde, nahm die Kultusgemeinde die Ausstellung in den rückwärtigen Raum ihres damaligen Haupthauses auf. Initiatorin war Charlotte Knobloch, die auch unermüdlich die Neugestaltung des Jakobsplatzes vorangetrieben hat. All das mag ihr Befremden erklären.

Das große Publikum wird sich vermutlich wenig um die Kabale scheren und stattdessen in großer Zahl darangehen, dieses Jüdische Museum kennenzulernen. Zunächst treffen Besucher in einer der Ausstellungen auf alte, von der Stadt einstmals schmählich behandelte Bekannte. „Nichts als Kultur“ erinnert als kleine Schau an Glanz, Größe und Niedergang der Familie Pringsheim. Der Ausstellungstitel verdankt sich einem sehr ambivalenten Tagebuch von Thomas Mann, der bei Pringsheims einheiratete: „Kein Gedanke an Judenthum kommt auf, diesen Leuten gegenüber; man spürt nichts als Kultur.“ Später wurden Pringsheims vertrieben und starben verarmt in Zürich. Sie hatten, was man hat – oder nicht: Stil.

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