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Kultur: Im Intrigantenstadl

Berliner Opernkrise: Intendant Udo Zimmermann verrät bei seiner Pressekonferenz mehr, als ihm lieb sein kann

Nein, ein Kämpfer ist er nicht. Wie Udo Zimmermann da bleich und grau auf dem Podium sitzt, fast hinter dem Gewirr der Mikrofone verschwindet, kann man sofort sehen, dass hier einer aufgegeben hat, dass er vor der entscheidenden Schlacht zurückgeschreckt ist. Jeder, der in der hauptstädtischen Musikjournalistenszene noch einen Stift halten kann, ist ins Foyer der Deutschen Oper gekommen, um sich nach den dürren Worten des Kultursenators vom Vortag nun endlich vom Betroffenen selber erklären zu lassen, welche Umstände tatsächlich zur unfreiwilligen vorzeitigen Auflösung des Intendantenvertrags geführt haben.

Viele erhoffen sich den großen Auftritt mit donnernder Rachearie. Doch es kommt lediglich eine Lehrstunde über den Charakter des Udo Z. heraus: Zuerst verliest der Betroffene ein „Plädoyer“, in dem von „Verweigerung“ (seitens des Generalmusikdirektors Christian Thielemann), von „Anti-Stimmung“ (seitens des Orchesters) und „Ärgernissen“ („Berlin ist ein Intrigantenstadl“) die Rede ist. Ganz leise spricht er, wie zu sich selber, rechnet umständlich vor, dass man die Haushaltszahlen, die dem Senat als Alibi für seinen Rauswurf dienen, auch anders, optimistischer, lesen kann, dass der Etat sich zum Jahresende womöglich ausgleichen lässt. Er bleibt beim Verklausulierten, auch als die Presse nachbohrt. „Ich könnte sagen, der Kultursenator sei ferngesteuert“, murmelt er: „Aber das wäre schon ein Satz zuviel.“

Trotzdem wird klar, mit welchem Zynismus Udo Zimmermann vom Senat behandelt wurde. „Wie Sie es nennen, ist uns egal“, bekam er zu hören, nachdem man ihm unmissverständlich klar gemacht hatte, er möge sein Amt aufgeben. Es auf eine Kündigung ankommen zu lassen, vor Gericht um seinen bis 2007 laufenden Vertrag zu streiten, dafür fehlte dem Zermürbten die Kraft. Selbst auf die volle Abfindung verzichtet er.

Udo Zimmermann ist ein Opfer, aber auch das Opfer seiner selbst. Weil er zu oft seinen eigenen Worten zuwider handelt, weil ihm im falschen Moment das Herz auf die Lippen drängt und er im rechten Moment versäumt, die Worte zu sprechen, die erwartet werden. Wer Fettnäpfchen nicht als solche erkennt, kann sie auch schwer umgehen: Erst verkündet der Geschasste, vor der Pressekonferenz am Mittwochnachmittag werde er keinen Kommentar abgeben. Dann erscheint am Tag selber doch ein Interview in einer überregionalen Zeitung – und Zimmermann will partout nicht verstehen, warum die anderen Journalisten unwirsch reagieren.

Nicht nur dieser selektiven Wahrnehmung wegen herrschte eine explosive Stimmung im überfüllten Foyer. Die Furcht vor einem Kollaps der Deutschen Oper sitzt tief. Die Tatsache, dass der Posten des Geschäftsführenden Direktors in der Bismarckstraße seit einem Jahr unbesetzt ist, lässt einen von langer Hand geplanten Coup befürchten. Und auch der Gerüchteküche entströmt nichts Gutes: Jene siegreichen Kräfte, so hört man, die das Haus jetzt wohl am liebsten in „Westdeutsche Oper Berlin“ umbenennen würden, streben eine altberliner Nachfolgelösung für Zimmermann an: Selbst der des ehemaligen Philharmoniker-Intendanten Elmar Weingarten wird genannt.

Dabei ist längst eine neue Generation agiler Musikmanager herangewachsen, die Herausforderungen auf zeitgemäße Art angeht und beim senatsseitig gewünschten turnaround sicher gerne auch mit anpacken würde. Leute wie der DSO-Orchesterdirektor Thomas Schmidt-Ott oder Christoph Meyer, der sich in Barcelona und auch schon einmal interimsweise an der Deutschen Oper profiliert hat. Die Musiktheaterfans, die das Trauerspiel mit Unbehagen beobachten, werden die Wahl der neuen Leitung kaum beeinflussen können – für die Zukunft der Berliner Musiktheaterlandschaft aber können sie etwas tun: wohlwollend die Angebote der Deutschen Oper prüfen. Jetzt erst recht. Frederik Hanssen

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