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Schöne Bescherung. Psychiatrie-Insassin Lara (Jella Haase) macht sich in dem wunderbaren deutschen Debüt „4 Könige“ für einen etwas anderen Baumschmuck stark.

© Port-au-Prince

Im Kino: "4 Könige" und "Alle Jahre wieder": Kaschmir oder Klapse

„4 Könige“ und „Alle Jahre wieder – Weihnachten bei den Coopers“: Wie deutsches und amerikanisches Kino von unheiligen, aber bewegenden Festtagen erzählen

Kaum ist die erste Kerze am Adventskranz entzündet, riecht es auch im Lichtspieltheater verstärkt nach Apfel, Nuss und Mandelkern. Die Welle der Festtagsfilme rollt an. Jenseits von Fantasymärchen und Science-Fiction-Abenteuern, die sich zum Segen des Familienfriedens auch nach einer guten Portion Gänsebraten anstandslos gemeinsam konsumieren lassen, sind dabei stets auch Spielarten des sogenannten klassischen Weihnachtsfilms vertreten.
Solche Filme bewegen, einem gewissen Realismus verpflichtet, die Dinge des Lebens vor der Folie des nahenden Weihnachtsfestes. Sie verströmen – bei aller Tragik oder aller Komik – ein unverwechselbares Tannennadelaroma aus Familiendrama, Kindheitsmythen, Schneemetaphorik, Dekoflitter und Identitätssuche. Und final bieten sie, wenn nicht gleich ein Happy End, so doch im bitterkalten Winter zumindest den Kuschelfaktor Sentiment samt ein bisschen Erlösung und einer Prise Hoffnung.
So möge denn das Fest der Liebe, so wie das Leben, keine Katastrophe werden, die Welt kein unbehauster Ort unkontrollierbarer Schrecken sein – und das Gute schließlich siegen. Schon James Stewart als lebensmüdem Bankrotteur in der Mutter aller Weihnachtsfilme – in Frank Capras „It’s a wonderful life/Ist das Leben nicht schön?“ – erging es so: Ein Engel überzeugt ihn durch kleine Filme im Film davon, dass sein Leben sehr wohl einen Sinn hat.

Der Weihnachtsshrink sieht zu gut aus, um wahr zu sein

Diese cineastische Imaginiermöglichkeit steht dem Jugendpsychiater Dr. Wolff in „4 Könige“ leider nicht zur Verfügung. Immerhin hat sein Darsteller Clemens Schick ein paar stahlblaue Augen, die der Kompromisslosigkeit seines therapeutischen Ansatzes fast zu viel Sexappeal verleihen. Dieser Weihnachtsshrink sieht einfach zu gut aus, um wahr zu sein. Dafür ist sonst jede Farbe, jeder Ton, jeder Satz in Theresa von Eltz’ wunderbarem Spielfilmdebüt, das seit Monaten von Rom bis Cottbus Festivalpreise abräumt, präzise komponiert.

Die Coopers machen Weihnachten Hausmusik. Eine Szene aus dem US-Film "Alle Jahre wieder" - mit John Goodman (Mitte) und Diane Keaton (rechts).
Die Coopers machen Weihnachten Hausmusik. Eine Szene aus dem US-Film "Alle Jahre wieder" - mit John Goodman (Mitte) und Diane Keaton (rechts).

© Suzanne Tenner/StudioCanal/dpa

Dr. Wolff ist so etwas wie der professionelle Schutzengel der vier Jugendlichen, die während der Feiertage in der eisweißen Klinik am Rande eines dezembergrauen Forsts landen. Traumatisiert von Drogentrips, Schülergewalt und zerrütteten Familien sind Alex (Paula Beer), Timo (Jannis Niewöhner), Lara (Jella Haase) und Fedja (Moritz Leu) ein feinsinnig spielendes Quartett der verlorenen Seelen, das seine liebe Not mit sich selber und miteinander hat. Zu Weihnachten fällt ihnen nur „Scheißgeschenke“ und „Megadruck“ ein – und doch nistet in den verschlossenen Mienen tiefe Sehnsucht nach ein bisschen Weihnachtsglück. Und nach eigenwilliger Weihnachtsdeko, die Lara bei der Kunsttherapie in die Form eines prachtvollen „Weihnachtspimmels für den Baum“ bringt.

Derlei pubertäre Entgleisungen liegen dem Ehepaar Cooper im Osten der USA völlig fern. Dafür sind die in Kaschmir und Cord gehüllten Ruheständler Charlotte (Diane Keaton) und Sam (John Goodman) viel zu geschmackssicher. Die gepflegte, am Ende in Sentimentalität ersaufende Tragikomödie „Alle Jahre wieder – Weihnachten bei den Coopers“ ist, verglichen mit den rauen „4 Königen“, dann auch der prototypische Weihnachtsfilm vom anderen Ende der Klischeeskala. Mit Marisa Tomei, Amanda Seyfried, Ed Helms und Alan Arkin erstklassig besetzt, aber in der Erzählung absehbar und der Botschaft bieder.

Die Festtagstafel endet im Chaos eines Stromausfalls

Mutter Cooper will Kindern, Enkeln, einsamem Großvater und dementer Tante das alljährlich üppige Bilderbuchfest bescheren. Doch auch das Winterwunderland, die Vorstadtvilla und die pralle Festtagstafel können nicht darüber hinwegtäuschen, dass eheliche Liebe erlischt, Jobs gekündigt werden, Ladendiebstahl zur Verhaftung führt und Familien zu Heuchelei und Eifersucht neigen. Das chronologisch über die Festtagsvorbereitungen der Gastgeber und die Anreise der auswärtigen Familienmitglieder erzählte und mit Rückblenden ausgepinselte Szenario kumuliert an der Weihnachtstafel im Chaos eines Stromausfalls und bereitet damit einer beliebten Weihnachtsfilmpointe den Weg: Erst das imperfekte, eben nicht bis ins Letzte schematisierte Vorzeige-Fest erweckt den wahren, in seinem christlichen Liebesversprechen zutiefst anarchischen Geist der Weihnacht. Plötzlich sprüht er wieder, der sonst von Kommerz und Ritual erschlagene Funke. Lichtjahre entfernt von den in Pittsburgh lebenden Coopers geschieht das auch den vier verstörten Königen in der kaltweißen Klinik im dezembergrauen Deutschland. Allerdings ganz ohne Stromausfall und Schicksals-Tamtam und schon gar nicht ohne Niederlagen. Und doch finden auch diese vier heiligen Unheiligen, die mit Pappkronen auf dem Kopf und geklautem Fusel im Hirn durch den Winterwald torkeln, nach und nach zurück in die Welt. Leise, still und vorsichtig. Und wo Leben ist, da kann auch Weihnachten werden.

„4 Könige“ läuft im Cinemaxx, Filmtheater am Friedrichshain, Kant, Kulturbrauerei, Passage und Toni. „Alle Jahre wieder – Weihnachten bei den Coopers“ läuft im Alhambra, Astra, Cinemaxx, Colosseum, CineMotion Hohenschönhausen, Cinestar Tegel, Cubix, Kinowelt Friedrichshain, Neukölln Arcaden und Spreehöfe

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