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Der Natur ausgeliefert. Mensch und Schildkröte im Schicksal vereint.

© Universum

Im Kino: Animationsfilm „Die rote Schildkröte“: Das Meer ruft

Zart getupfte Farben: Der Oscar-nominierte Animationsfilm „Die rote Schildkröte“ atmet den Geist des Ghibli-Studios und hebt sich wohltuend von Disney und Co. ab.

Von Andreas Busche

Sprechende Tiere tauchen in Michael Dudok de Wits Animationsfilm „Die rote Schildkröte“ nicht auf. Es fallen überhaupt keine Worte in der französisch-japanisch-belgischen Koproduktion, bei der Altmeister Isao Takahata („Die Legende der Prinzessin Kaguya“), Mitbegründer des Zeichentrickstudios Ghibli, als Produzent in Erscheinung tritt. Die Ghibli-Ästhetik zeichnet auch De Wits Stil aus, der japanischen Tuschezeichnungen nachempfunden ist. Pastellige Töne, flächige Farben, die fast durchscheinend wirken. „Die rote Schildkröte“ hebt sich wohltuend von der lärmigen Dreamworks/Disney-Schule mit ihrer zwanghaften Selbstreferenzialität ab. Seine Leichtigkeit ist eher dem Tupfer als dem Strich verpflichtet, die Geschichte steht in der Tradition japanischer Mythen und Märchen.

Die Wucht der Eröffnungsszene – ein junger Schiffbrüchiger kämpft sich durch den tosenden Ozean – weicht sehr bald einer meditativen Stille. Oberflächlich betrachtet könnte man diese Robinsonade als Überlebensgeschichte bezeichnen, aber eigentlich handelt sie vom Leben selbst – oder vielmehr: vom Kreislauf des Lebens.

Die Elemente der Natur erzählen

Die titelgebende Schildkröte erweist sich für den Mann als eine Art animistische Projektion. Erst sabotiert das zutrauliche Tier seine Versuche, die Insel mit einem selbst gebauten Floß zu verlassen, dann schenkt es ihm, wundersam aus dem Hornpanzer geboren, eine Lebensgefährtin. Der Film begleitet diese Kernfamilie durch die Jahre. Ein Sohn wächst heran, während die Schildkröte den Mann weiter als Gespenst der Vergangenheit heimsucht. Man sollte über die Geschichte jedoch nicht zu viele Worte verlieren, sie würden nur vom Wesentlichen ablenken.

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Die Elemente der Natur verleihen De Wits Film eine eigene Dramaturgie: ein paar Krebse halten – ein Running Gag – das ökologische Gleichgewicht aufrecht, die tropischen Wälder erscheinen im wogenden Grün, das Meer türmt sich zu einem vernichtenden Tsunami auf. Jedes Ende bedeutet auch einen Neuanfang.

Auf diese etwas sentimentale Erkenntnis könnte man die Philosophie des Films herunterbrechen. Im Grunde eine banale Lebensbilanz, würde sich nicht schon der schlichte, naturalistische Zeichenstil jeder großen Deutung entziehen. Diese Bescheidenheit macht „Die rote Schildkröte“ zu einem besonderen Animationsfilm, in dem die zeitlose Ghibli-Ästhetik fortlebt.

In Berlin läuft der Film im B-ware! Ladenkino, im Central und Moviemento.

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