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Abseits des Luxus. Die Teenager-Crew aus Davy Chous "Diamond Island".

© Rapid Eye Movies

Im Kino: "Diamond Island": Geisterlichter

Pubertäres Treiben in den Baracken von Phnom Penh. Davy Chou porträtiert in seinem Coming-of-Age-Film „Diamond Island“ eine Gruppe jugendlicher Arbeiter in Kambodscha.

„Hast du dein Handy?“, fragt Boras Mutter zum Abschied. Für sie ist es selbstverständlich, dass ihr 18-jähriger Sohn das Dorf verlässt, um in der Ferne Geld zu verdienen. Sie schaut ihm kaum hinterher. „Diamond Island“ ist voll von Teenagern wie Bora (Sobon Nuon), die sich mit ihren Leben zufriedengeben. Ein Freund demonstriert der unerfahrenen Jungsclique den Umgang mit den Mädchen: „Sie wird eure Hand wegschlagen, versucht es wieder“. Später lässt Regisseur Davy Chou ein flirtendes Pärchen die Abwehrhaltung gleich mehrmals durchspielen.

Der aus Kambodscha stammende Franzose erweist sich als genauer Beobachter solcher gesetzestreuen Verhaltensweisen. Seinen 2016 in Cannes ausgezeichneten Film dominieren langsame Schnitte. In den Einstellungen gibt es dafür umso mehr zu sehen: die bleich glühenden Neonlichter der Großstadt, zaghafte Gesten, von Sehnsüchten und Erwartungen durchtränkte Blickwechsel.

Davy Chou hofft auf neue Blütezeit des kambodschanischen Kinos

„Diamond Island“ lautet der Name einer gated community, die auf einer Insel vor der Hauptstadt Phnom Penh entsteht. Bora verdient dort als Bauarbeiter seinen Lebensunterhalt. Mit seinen Laiendarstellern erzählt Chou eine zunächst konventionelle Geschichte, baut aber virtuos Erwartungen auf, um sie später wieder zu durchkreuzen.

Der Park, in dem die Freunde sich nachts zum Trinken treffen, ist in grünes Licht getaucht – eine gespenstische Atmosphäre. Hier begegnet Borat zufällig seinem älteren Bruder Solei (Cheanick Nov), der vor Jahren die Familie verließ, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Entlang ihrer Annäherung entwickelt sich „Diamond Island“ zu einem Coming-of-Age-Film, der mit Splitscreens und exaltierten Farben experimentiert und die Künstlichkeit einer sozialrealistischen Ästhetik vorzieht – bis die Bilder zu fluoreszieren beginnen.

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Davy Chou, Enkel des legendären Produzenten Vann Chan, hat sich ausführlich mit der Filmgeschichte seines Landes beschäftigt. Sein Dokumentarfilm „Golden Slumbers“ von 2012 warf ein Schlaglicht auf die goldene Ära des kambodschanischen Kinos, das zwischen 1960 und 1975 rund 400 Filme hervorbrachte. Damals zeigte er sich optimistisch, dass eine neue Generation von Filmemachern auch ohne staatliche Förderprogramme heranwächst.

Was erwarten die Jungen vom Leben, was bekommen sie

Mit „Diamond Island“ erfüllt er seine Prophezeiung selbst, die rapide Entwicklung im Königreich wird im Film zur Triebfeder der Ereignisse. Der für seinen Komfort hochglanzbeworbene Wohnkomplex steht da, wo einst nichts als Gras und Sand war. „Vor Urzeiten war das“, betont Boras Freundin und meint das Jahr 2009.

Mit dem angepriesenen Luxusleben hat das Dasein der aus den umliegenden Dörfern rekrutierten Arbeiter wenig zu tun. Sie leben in Baracken am Rand der Insel. Interessanter als die Arbeit findet Davy Chou ohnehin das pubertäre Treiben nach Feierabend: was die Jungen vom Leben erwarten, was sie tatsächlich bekommen. „Du bleibst immer ein Sklave“, bemerkt einer von ihnen. Auch die Aussicht auf ein Date hat nur, wer einen Motorroller besitzt oder das neueste Smartphone. Wer wiederum zu schnell sozial aufsteigt, wird ebenfalls mit Verachtung gestraft. Die Zukunftsträume der Jugendlichen sind im Zwielicht aus Bildschirmbeleuchtungen und Neonröhren nur von fern zu erahnen.

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Katrin Doerksen

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