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Gefühl für Gut und Böse. Sheik Rehman ist der letzte Kinomaler von Mumbai, sein Atelier liegt hinter der Leinwand des Filmpalasts „Alfred Talkies“.

© W-film/polyphem Filmproduktion

Im Kino: Doku „Original Copy“: Der letzte Kinomaler von Mumbai

Sheik Rehman malt Filmplakate in feinster Handarbeit. Die Doku „Original Copy“ begleitet ihn und erzählt dabei vom Zauber der Endzeit und dem Sehnsuchtsort Kino.

Künstler? Ach was. „Ich male, was die Leute von mir erwarten.“ Die Guten größer, die Bösen kleiner, die Damen lieblich, die Helikopter dynamisch, die Revolver wuchtig. Sein Vater, ja, der sei noch ein wirklicher Kunstmaler gewesen, erzählt Sheik Rehman, der letzte Kinomaler von Mumbai. „Doch zu mir sagen meine Söhne: Deine Zeit ist abgelaufen, deine Arbeit wertlos.“ Heute wird alles gedruckt, sogar Dinge, wer braucht da noch handgemalte Filmplakate?

Der alte Hindi-Filmpalast „Alfred Talkies“, in dem Rehman sein Atelier hinter der Leinwand betreibt und wie ein alter Meister eine Schar von Gehilfen antreibt, die sich als Kopisten, Ausmaler und Handlanger betätigen, ist ein einziger Anachronismus. 18 Rupien kostet die Eintrittskarte im Parkett, 20 Rupien auf dem Balkon. In den klimatisierten Multiplexen, die die traditionellen Lichtspieltheater der filmverrückten Stadt seit den 2000er Jahren nach und nach ersetzen, zahlt man locker 300 Rupien, also knapp fünf Euro. Zu viel für das arme Publikum von Kinobesitzerin Najma Loynmoon und ihrem treuen Manager Huzefa Bootwala, die vier Vorstellungen am Tag mit billig zu mietenden, actiongeladenen B-Movies bestreiten und immer öfter Miese schreiben.

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Angesichts der bedrohlich auf sie zuwachsenden Hochhaustürme des neuen und neureichen Mumbai ans Aufgeben zu denken, kommt trotzdem für keinen der drei Protagonisten von „Original Copy“ infrage. Sieben Tage lange pinselt Sheik Rehman hingebungsvoll an einem Riesenmotiv, dass nur eine Woche später wieder abgehängt und übermalt wird. Das lehrt Demut. Der Sisyphos von Mumbai, der bei der Arbeit in langen Monologen über Malerei, Film und Leben bramarbasiert, pflegt die dazu passende Philosophie: „Das ist der Film des Lebens. Gott wechselt die Rollen. Die Rolle selbst ist nie zu Ende, nur die Darsteller sterben.“

Es ist der Zauber einer Endzeit, von dem die Filmemacher, das deutsche Vater-Sohn-Gespann Florian Heinzen-Ziob und Georg Heinzen, zehren. Und doch sind sie nicht der Gefahr erlegen, in nostalgischer Süße zu versinken. Die Beobachtungen des multireligiösen Kinoalltags, in dem sich – inzwischen eine Seltenheit in Indien – Muslime und Hindus einträchtig allmorgendlich von einem Guru mit segnendem Weihrauch einräuchern lassen, sind sachlich, fast schon kühl inszeniert. Aus dem rüden Umgangston in der Malerwerkstatt machen sie ebenso wenig einen Hehl wie aus der Tatsache, dass die Männer, die den Müll im knapp tausend Plätze umfassenden Kinosaal zusammenkehren, nachts nicht etwa drinnen, sondern davor auf der Straße schlafen. Die bildnerische Verherrlichung des Kinos als ein Bollwerk des Guten in der hupenden, schimpfenden, von Investorengier zerfressenen Megacity findet nicht statt. Und doch ist genau das der vorsichtige Subtext dieser heimlichen Hymne auf die Kraft – sowohl der Malerei als auch des Kinos. Sie lässt nicht nur den Maler den mangelnden Respekt seiner Söhne ertragen, was in Indien einer Katastrophe gleichkommt. Sondern trägt auch die Kinobesitzerin, deren ganzes Leben ein Kampf ist, die Vorbehalte ihres Großvaters zu widerlegen, der sein Lebenswerk keinesfalls einer Frau anvertrauen wollte. Die Rolle muss weiterlaufen, allein deswegen.

Zu sehen in folgenden Berliner Kinos: b-ware! ladenkino, Babylon, Sputnik

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