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Familie auf Probe. Will (Aidan Gillen) und Stacey (Lauren Kinsella).

© Pandora/dpa

Im Kino: "Familienbande": Fisch im Geschirrspüler

Ersatzvater, Ersatztochter: Mark Noonans coole, ergreifende Sozialdramödie „Familienbande“.

Nix los hier. Die Landschaft flach, die grauen Wolken hängen tief, am Abend glimmt trübes Straßenlicht. Was soll eine Elfjährige wie Stacey hier, im öden Caravanpark irgendwo in den gottverlassenen irischen Midlands - Dublin ist weit weg? Wo Stacey doch manchmal unvermittelt einschläft und nicht mal gelernt hat, mit dem Skateboard zu fahren, das sie unterm Arm zum Wohnwagen mitgeschleppt hat, an der Seite ihres Onkels. Der ist auch so ein Looser. Sie haben ihn auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen, damit er sich um seine Nichte kümmert. Er holt sie ab in der Stadt, von der Pflegefamilie: Staceys Mutter ist gerade gestorben – von ihr hat sie das Skateboard.

Ziemlich komisch das alles. Wie Stacey alles cool abwehrt, was ihr Onkel so fragt und sagt. Wie sich die beiden in handkantenfrechen Dialogen einen permanenten Schlagabtausch liefern, ob es nun um Wills Knast-Manieren geht, seinen Alkoholkonsum, ihre Pillen gegen die Narkolepsie oder um die Höhe der Summe, die er verspricht, wenn es ihr gelingt, einen Tag lang nicht auf die Straße zu spucken. Schlau ist Stacey sowieso, weiß zum Beispiel, wie man Fisch im Geschirrspüler dünstet, wenn der Herd mal wieder nicht funktioniert. „Was soll ich bloß mit dir machen?“, seufzt sie einmal. Wer sich hier um wen kümmert, ist nicht ganz klar.

Stacey (Lauren Kinsella) und Will (Aidan Gillen, der Lord Baelish aus „Game of Thrones“) sind ein unmögliches Paar: zwei verlorene, gepanzerte Existenzen, wortkarg, stachelig – aber eben doch eine Familie. Ersatzvater, Ersatztochter. Tag für Tag ruft Will seinen Bewährungshelfer an, damit er nicht zurück hinter Gittern muss. Wenn da nicht seine Drogensucht wäre und Staceys Kratzbürstigkeit ...

Lapidar und liebevoll: Regisseur Mark Noonan trifft den richtigen Ton

Mark Noonan gelingt es in seinem Debütfilm „Familienbande“ (der in der Generation-Reihe der Berlinale Premiere feierte), so präzise wie lapidar die Geschichte einer Annäherung zu entfalten, ja einer Liebe zwischen zwei Leuten, denen das Leben böse mitgespielt hat. Knappe Sätze, wenig Personal (Emilie, die unglücklich verheiratete Belgierin aus dem Nachbar-Wohnwagen, freundet sich mit ihnen an), kleine Ellipsen, Zeitsprünge, Unschärfen, gelegentlich Slowmotion – all das passt gut zu den aus der Balance geratenen Protagonisten. Ebenso das Dämmerlicht draußen und das Halbdunkel im Wohnwagen, es bietet auch Schutz. Darum geht es, wie sich später herausstellt: wie man einander beschützt.

Der Originaltitel, „You’re Ugly, Too“ – „Hässlich bist du auch“, trifft die Tonart übrigens besser: Er bezieht sich auf einen im Film erst spät zu Ende erzählten „Geht ein Mann zum Arzt“-Witz. Auch Will und Stacey haben keine Chance, die Schule, das Jugendamt, die Justiz bleiben stur. Man mag Will und Stacey, man mag, wie sie scheitern und irgendwie doch eine Zukunft haben – und wie „Familienbande“ ohne Sozialromantik auskommt, auch ohne Fatalismus. Eine Sozialdramödie: die stillere, irische Variante des guten alten humanistischen Kinos eines Ken Loach.

In Berlin in den Kinos b-ware! ladenkino, FT am Friedrichshain, Kant, OmU: b-ware! ladenkino, fsk am Oranienplatz

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