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Kareem (der Hip-Hop-Star Tamer Nafar) und seine Freundin (Samar Qupty)

© X Verleih

Im Kino: Hip-Hop-Film "Junction 48": Wer singt hier für wen?

Udi Aloni erzählt in „Junction 48“ den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern als Hip-Hop-Battle - und sprengt damit die Grenzen des Musikfilmgenres.

Die Armut ist allgegenwärtig, die Drogengeschäfte sind gefährlich, die Cops fies. Einen Ausweg bietet die Musik. Eigentlich ist „Junction 48“ ein ganz normaler Hip-Hop-Film. Doch statt in South Central spielt die Geschichte in der israelischen Stadt Lod, unweit von Tel Aviv. Hier werden junge arabische Männer wie Kareem und seine Freunde von Wut und Langeweile zermürbt. Und von der Aussicht, keine Zukunft zu haben in diesem Staat.

Dabei ist Kareem kein Typ für große Ansagen. Er lässt sich zwischen seinem Callcenterjob in Tel Aviv und der Halblegalität in Lod treiben, manchmal bastelt er HipHop-Tracks mit den Freunden. Die Politik überlässt er seiner Freundin Manar (Samar Qupty), die über ihre verlorene Heimat singt und sich weigert, vor Juden aufzutreten. Erst der Unfalltod seines Vaters weckt in Kareem den Wunsch, Schwung in sein Loserleben zu bringen und seinen Rap-Karrieretraum zu realisieren.

Junge Araber zwischen Islam und Säkularisierung

Der sympathisch schläfrige Tamer Nafar ist mit Mitte 30 eigentlich zu alt für Kareems Rolle. Aber er bringt nicht nur seine Rap-Skills mit, sondern vor allem Popularität: Als Mitglied der Gruppe Dam ist er in Israel und Palästina ein Star. Das von ihm mitverfasste Drehbuch erzählt in Teilen sein eigenes Leben nach. Die sehr viel kompliziertere reale Geschichte fängt übrigens der Dokumentarfilm „Arotzim Shel Za'am“ von 2003 ein, der Nafar und den israelischen Rapper Subliminal auf ihrem gemeinsamen Weg begleitet.

Diese Art von kulturellem Austausch kommt in „Junction 48“ nicht vor. Stattdessen tauchen die israelischen Rapper RPG und 67 Karat auf – RPG wie der Raketenwerfer, 67 wie das Jahr des Sechstagekrieges. Die Zeichnung der beiden Antagonisten von Kareem bleibt äußerst grob – ihr Song heißt „Am Israel Chai“, das Volk Israel lebt. Dagegen behauptet Kareem: „Ich mache keine politische Musik“. Was er eigentlich meint: Als arabischer Israeli, als Palästinenser, ist seine Existenz per se politisch. „Junction 48“ – 1948 war das Jahr des israelischen Unabhängigkeitskriegs – greift diese Selbstbeschreibung auf und sprengt die Grenzen des Musikfilmgenres, indem die episodisch angelegte Tragikomödie den Status von Palästinensern in Israel verhandelt und junge Araber zwischen Islam und Säkularisierung zeigt.

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Udi Aloni steht politisch eindeutig links

Regisseur Udi Aloni, Sohn der auch in Israel geschätzten Politikerin Shulamit Aloni, steht politisch eindeutig links. Seine Arbeiten und Spielfilme sorgten immer wieder für Kontroversen. In „Junction 48“ hat er die Außenwirkung genauso im Blick wie innerisraelische Resonanzen. Auch die konkrete, offiziell tabuisierte Grausamkeit, die Palästinenser in Lydda erfahren mussten – so hieß Lod vor 1948 bei den Palästinensern. Das Haus eines Freundes soll abgerissen werden: Dessen Vater war 1948 daraus vertrieben worden, einzig die Ziegen erinnerten an die Vergangenheit. Später war die Familie illegal dorthin zurückgekehrt, jetzt hängen die Freunde hier ab. Aber das Haus soll einem Museum der Koexistenz weichen, ausgerechnet.

Immer wieder kommen neue Konfliktstoffe und verdrängte Themen ins Spiel, zusätzlich zur Aufsteigergeschichte und zu den politischen Spannungen zwischen Israel und Palästina. Bis das unerwartete, schrecklich-schöne Schlussbild noch einen weiteren Aspekt in den Fokus rückt: das Leiden der Frauen in der Männergesellschaft von Lod.

OmU: Eiszeit, Hackesche Höfe, Kino in der Kulturbrauerei, Moviemento. Deutsche Fassung: Cinemaxx Potsdamer Platz

Fabian Wolff

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