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Art-Deco-Schönheit. Keira Kneightley verkörpert als Rachael die Verführungskraft der Siegermacht.

© 20th Century Fox

Im Kino: "Niemandsland": Romanze in Moll

Die Engländerin und der Deutsche: das Nachkriegsdrama „Niemandsland“ mit Keira Knightley.

Als Keira Knightley sich in eine Freischwingerliege fallen lässt, federt sie beinahe gleich wieder heraus. „Die Liege stammt von Mies van der Rohe“, erläutert Alexander Skarsgård. „Seine Philosophie war es, sich beim Entwurf auf das Nötigste zu beschränken.“ Knightley ist verärgert. „Man braucht keine Philosophie, um etwas zu erschaffen, das gemütlich ist“, entgegnet sie.

Der Film „Niemandsland – The Aftermath“ des britischen Regisseurs James Kent spielt in ungemütlichen Zeiten. Rachael Morgan (Knightley) ist im Winter 1945/46 in einer Hamburger Villa eingezogen, die als Unterkunft für ihren Ehemann, einen britischen Colonel (Jason Clarke), konfisziert wurde. Der deutsche Besitzer (Skarsgård) lebt mit seiner Tochter auf dem Dachboden. Eine Wohngemeinschaft von Siegern und Besiegten, angespannter Waffenstillstand.

Bei ihrer Ankunft verweigert Rachael dem Hausherrn den Handschlag. Schließlich weiß sie nicht, ob er ein Nazi war. Das Domizil mit Park und Elbblick gleicht einem Schloss. Es ist mit modernen Stahlrohrmöbeln ausgestattet, der Flügel im holzgetäfelten Ambiente stammt von Steinway. Allerdings gibt es auf einer Wand einen weißen Fleck. Vielleicht hing dort bis vor kurzem ein „Führer“-Porträt.

Mit Subtilitäten hält sich das Melodram, das auf einem Roman des walisischen Schriftstellers Rhidian Brook beruht, nicht lange auf. Im Zug, der sie ins Feindesland bringt, sitzt Rachael neben einem Jungen, der seine Mutter fragt, was das Wort „fraternisieren“ bedeutet. Die Mutter antwortet: „Dass man nicht freundlich sein soll mit ihnen.“ Die Engländerin und der Deutsche, ein verwitweter Architekt, werden sich ineinander verlieben, das ist so logisch wie das Ergebnis einer mathematischen Rechnung. Erst beobachtet sie ihn beim Holzhacken im Garten. Für den ersten Kuss gibt sie ihm noch eine Ohrfeige. Der zweite Kuss geht von ihr aus. Der erste Sex findet auf dem Wohnzimmertisch statt.

Selten hat man Keira Knightley – die bereits in den Weltkriegs-II-Dramen „Abbitte“, „The Edge of Love“ und „The Imitation Game“ der weibliche Star war – so oft weinen sehen. Sie weint, wenn sie von der Vergangenheit erzählt, wenn sie Debussy auf dem Klavier spielt, wenn sie in der Badewanne liegt. Die beiden Liebenden sind traumatisiert, das verbindet über allen Völkerhass hinweg. Er hat seine Frau im Hamburger Feuersturm verloren, ihr kleiner Sohn starb, als das Haus von einer Bombe getroffen wurde. Ihre Liebe mag verboten sein. Aber sie erweist sich auch als heilsam.

Die Romanze ist kitschig, krude ist die Nebenhandlung, in der es um jugendliche Werwölfe geht, die aus den Kellern der zertrümmerten Großstadt heraus den Krieg fortsetzen. Ihr Erkennungszeichen ist eine auf dem Arm eingebrannte „88“, ein Symbol, das erst später von Neonazis als Abkürzung von „Heil Hitler“ erfunden wurde. Wenn Freda (Flora Thiemann), Tochter des Geliebten, mit nordischen Zöpfen und in BDM-Uniform durch die Villa geistert, erinnert sie an die halbwüchsige Heldin des in der Anarchie des Kriegsendes angesiedelten Films „Lore“. Nur fehlt dieser Freda jede Magie, jede Abgründigkeit.

Cinemaxx Potsdamer Platz, UCI Mercedes-Platz, Zoo Palast, OV: Cinestar Sony Center, OmU: Hackesche Höfe, Kulturbrauerei, Rollberg

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