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Massiver Einsatz. Ein Stier auf der Bühne der Opéra Bastille.

© Koolfilm

Im Kino: „Oper. L’Opéra de Paris“: Goldenes Kalb

Auf und hinter der Bühne: Der Dokumentarfilm „Oper. L’Opéra de Paris“ entfaltet ein hinreißendes und mit Humor gesegnetes Panorama der weltberühmten Opéra de Paris.

Wohin muss man gehen, um das Wesen der Oper zu ergründen? Den Puls dieser komplexesten aller Theaterunternehmungen zu ertasten, für die Hunderte hoch spezialisierter Menschen zusammenkommen, um etwas Einmaliges, Flüchtiges, Berührendes zu erschaffen? Abgesehen von Berlin, der Opernmetropole des 21. Jahrhunderts, kann die Antwort nur „Paris“ lauten. Die beiden Häuser Palais Garnier und Opéra Bastille vereinen die Bühnenträume von gestern mit dem gesellschaftlichen Versprechen von morgen.

Als 2015 dort mit Stéphane Lissner ein neuer Direktor antritt, beginnt der Dokumentarfilmer Jean-Stéphane Bron seine anderthalb Jahre dauernde Beobachtung. Sie hätte sich leicht in purer Überwältigung durch Technik und Prunk, Tradition und Personalstärke erschöpfen können, wie ein Film gewordenes coffee table book. Doch in knapp zwei Stunden entfaltet „Oper. L’Opéra de Paris“ ein hinreißendes, mit Humor gesegnetes Panorama einer wunderbaren Anstrengung.

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Die teilt auch der gewaltige Stier, der in „Moses und Aaron“ mit dem Chor auf der Bühne steht. Dafür muss er sich auf seiner Wiese erst einmal an Schönbergs Musik gewöhnen. Die Sänger fürchten den Kraftprotz in ihrer Mitte, der technische Direktor hat einen schlimmen Traum, das Tier aber bleibt ungerührt. Wohingegen der Chor gegen den Regisseur aufzubegehren beginnt. Jean-Stéphane Bron hat ein feines Gespür für die Macht und ihre Inszenierung, wenn er mit dem Direktor aus dessen Büro auf die Stadt blickt und ihm dabei zuhört, wie er den kommenden Streik abzubiegen versucht. Auch das Gespräch über die – im Vergleich zu Berlin – sündhaft teuren Ticketpreise ist eine kleine Sternstunde im Verhältnis von Kunst und Politik.

Mit dem jungen Sänger Mischa Timoschenko, der aus einem kleinen russischen Dorf an die Nachwuchsakademie der Oper kommt, öffnen sich auch für die Zuschauer Welten. Lernen scheint hier plötzlich ganz leicht zu werden, der verehrte, weltbekannte Kollege des gleichen Stimmfachs bietet im Gang ein privates Rollenstudium an. Schüler aus sozialen Brennpunkten erhalten Musikunterricht dank einer Mäzenin, in den historischen Räumen des Palais Garnier wird ein prächtiges Diner ausgerichtet. Und dann zeigt Bron eine Balletttänzerin, die nach ihrem Auftritt in den Kulissen nach Luft ringt, so existenziell, dass es einem beinahe den Atem nimmt.

Zuschauen und mitfühlen

Während der Dreharbeiten gab es nicht nur Streiks, am 13. November 2015 erschütterten Attentate Paris. In der Oper finden sie ein stilles Echo. Es besteht darin, das Spielen zu verteidigen, weil es alle Ernsthaftigkeit und Leidenschaft bündelt, weil es daran glaubt, dass Kultur etwas Unverbrüchliches ist. Ein stoischer Stolz erfüllt die Oper, an der nicht alles gelingt. Man kann spüren, wie Benjamin Millepied als Ballettchef scheitert, wie sich der einstmals gefeierte Tänzer von seiner Compagnie entfremdet. Bron braucht dafür nur eine kleine Beobachtung, wenn Millepied an Rande einer Probe kurz an sein Handy geht. Das ist das Schöne an diesem Film: Man muss, ebenso wie der Regisseur, nicht alles wissen über die Oper und ihre Pariser Verhältnisse. Man darf zuschauen und fühlen, wie sich der Raum verdichtet. Eine kostbare und zudem höchst unterhaltsame Erfahrung.

In den Kinos Delphi Lux und Union Filmtheater sowie OmU in Cinema Paris, Eiszeit, den Eva-Lichtspielen und im Hackesche Höfe Kino.

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