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Im Kino: "The Exploding Girl": Tauben gucken

Sommer in der Stadt: „The Exploding Girl“. Ein behutsamer, kein bisschen pathetischer Film, dessen Stärke eben in dieser Unaufgeregtheit liegt, in den alles Wesentliche transportierenden Nuancen.

Von Maris Hubschmid

Es ist Sommer, und es ist New York City. Die zwanzigjährige Ivy erlebt das städtische Treiben wie in Trance. Die aparte junge Frau taucht in die Menschenströme ein, wird irgendwo wie zufällig wieder ausgespuckt; wohin sie auch geht, sie wirkt seltsam unbeteiligt. Sie lässt sich mitnehmen zu Partys, auf denen sie die Zeit absitzt. Ihre Aufmerksamkeit gilt ihrem Handy, jeder Gedanke gilt Greg, ihrem festen Freund vom College, der seine Ferien andernorts verbringt, Greg, dessen Anrufe seltener werden und dessen Worte karger.

Wie gut, dass es Al gibt. Al ist bemüht, Al drängt sich nicht auf, Al ist da. Vorübergehend darf er bei Ivy und ihrer Mutter wohnen. Ivy hat sich schnell an seine Anwesenheit gewöhnt. Die beiden hängen zusammen im Park ab, hören Musik, reden, schweigen miteinander. Auf Als Unternehmungsvorschläge reagiert Ivy vorwiegend mit Achselzucken. Zieht er jedoch alleine los, fehlt ihr was.

Je mehr ihr die Beziehung mit Greg zu entgleiten droht, desto wichtiger wird Al. Ivy aber will die Veränderungen nicht wahrhaben. Ivy leidet an Epilepsie, sie hat gelernt, ihre Gefühle zu zügeln, um Aufregung und Anfälle zu vermeiden. Als Greg per Telefon Schluss macht und Al eine andere küsst, entlädt sich, was sich in ihr angestaut hat.

Publikumshit auf der Berlinale 2009

„The Exploding Girl“ gehörte zu den Publikumshits der Berlinale 2009. Ein behutsamer, kein bisschen pathetischer Film, dessen Stärke eben in dieser Unaufgeregtheit liegt, in den alles Wesentliche transportierenden Nuancen. Und in der Authentizität seiner Hauptdarsteller, die der Geschichte zu einer außergewöhnlichen emotionalen Tiefe verhelfen. Zoe Kazan, Enkelin des Filmemachers Elia Kazan, entwickelt sich völlig zu Recht zu einer der meistbeschäftigten Schauspielerinnen ihrer Generation. In „Zeiten des Aufruhrs“ gab sie die Geliebte von Leonardo DiCaprio, in „Wenn Liebe so einfach wäre“ eine der Töchter von Meryl Streep. Mit Rebecca Millers „The Private Lives of Pippa Lee“ war sie 2009 in einem weiteren Berlinale-Film zu sehen. Sie besitzt die Fähigkeit, zu strahlen, ohne andere in den Schatten zu stellen. Mark Rendall scheint als Leinwandpartner ideal.

Wie ein beiläufiger Beobachter erlebt der Zuschauer die Spaziergänge der jungen Menschen, die tatsächlich streckenweise nicht gewusst haben sollen, von wo aus gefilmt wurde: Manche Nahaufnahmen wurden mittels modernster Digitaltechnik über ganze Häuserblocks hinweg gedreht. So diskret Kameraführung und Inszenierung sind, so intensiv sind die Bilder. Immer wieder sieht Ivy sich in Geschäfts- oder Wagenfenstern gespiegelt, draußen flirren Bäume als grün-schwarze Muster vorbei. Wenn Ivy und Al bei Sonnenuntergang auf einem Häuserdach sitzen und einem Taubenschwarm im Flug zugucken, ist die Romantik der Situation nur erahnbar, zu einem ersten Kuss kommt es nicht. Umso ergreifender ist am Ende der Moment, in dem sich auf der Rückbank eines Autos ihre Hände finden. Maris Hubschmid

Filmkunst 66, fsk am Oranienplatz, Hackesche Höfe (alle OmU)

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