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Schrecklich nettes Ehepaar. Jennifer Aniston und Jason Sudeikis (vorne) tun nur so, als ob sie verheiratet wären.

© Warner Brothers

Im Kino: "Wir sind die Millers": Durch die Achselhöhle Amerikas

In der Komödie „Wir sind die Millers“ geht ein Dealer mit seiner Pseudo-Familie auf Kurierfahrt.

„Du hast nichts! Du könntest jeden Augenblick verschwinden, und keiner würde etwas merken!“, sprudelt es aus dem alten College-Kumpel heraus, dem David Clark (Jason Sudeikis) zufällig auf der Straße begegnet. „Mann, wie ich dich beneide!“ Tatsächlich ist es David gelungen, seine Unabhängigkeit zu bewahren. Während die ehemaligen Weggefährten Karriere machten und Familien gründeten, ist er bei dem geblieben, was er schon während des Studiums gemacht hat: Er dealt mit Gras, „dem besten in Denver“.

Schon in dieser Szene aus der Anfangssequenz von „Wir sind die Millers“ ist klar, wohin die Reise gehen wird. Aber wie schnell David zu einer Familie kommt, überrascht dann doch. Noch am selben Abend wird er seiner Drogenvorräte und Ersparnisse beraubt, woraufhin der niederträchtige Zulieferer Brad (Ed Helms), in dessen Schuld er nun steht, von ihm verlangt, eine Ladung Marihuana aus Mexiko zu schmuggeln. Als Tarnung hält David den Anschein einer arglosen Touristenfamilie für unfehlbar, und so heuert er sich flugs eine Zwecksippe zusammen.

Die Stripperin Rose (Jennifer Aniston), die ihn nicht leiden kann, aber dringend Geld braucht, gibt die Ehefrau, der übereifrige Nachbarsjunge Kenny (Will Poulter), der alles tun würde, um David zu erfreuen – um von ihm als Kunde akzeptiert zu werden –, und die störrische Teenagerin Casey (Emma Roberts) markieren die Kinder.

Gemeinsam begeben sie sich in einem stattlichen Wohnmobil auf ein Roadmovie-Abenteuer, das seine Komik weniger aus überraschenden Abweichungen vom Erwartbaren als aus dessen Übertreibung bezieht: der obszön reiche, vollkommen gewissenlose Drogenzulieferer, die leutselige Camperfamilie, die die Millers mit Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft bedrängt, die Darstellung Mexikos als ungewaschene Achselhöhle Amerikas – allesamt Überzeichnungen, die das Klischee zugleich bedienen und sich parodistisch distanzieren.

Am Ende müssen die Charaktere wieder in den Schoß der bürgerlichen Familie eingemeindet werden

Diese Doppelstrategie, die sich in nahezu alle Figuren und Situationen zeigt, prägt auch den großen dramaturgischen Bogen des Films. Darin nimmt „Wir sind die Millers“ ein ungeschriebenes Gesetz aktueller amerikanischer Mainstreamkomödien aufs Korn: dass nämlich moralisch zweifelhaftes Verhalten von Filmfiguren nur unter der Bedingung humoristisch akzeptabel ist, dass die Charaktere am Ende in den Schoß bürgerlicher Familienwerte eingemeindet werden. Diese konservative Stoßrichtung ist eine verlässliche Konstante im gegenwärtigen Hollywoodkino, ganz gleich, ob es sich um einen erbaulichen Film wie die intelligente George-Clooney-Komödie „Up in the Air“ oder die destruktiv-hedonistische „Hangover“-Reihe handelt.

Auch die Pseudo-Vorzeigefamilie Miller besteht zunächst aus lauter familiengeschädigten oder beziehungsuntauglichen Individuen. Rose wurde von ihrem Freund bestohlen und sitzengelassen, Casey ist aus ihrem Elternhaus abgehauen, Kenny wird von seiner Mutter vernachlässigt, und David ist ein selbstverliebter Solitär, dem nichts ferner liegt, als Verantwortung für andere zu übernehmen. Ideale Voraussetzungen also für die vier Misfits, auf der gemeinsamen Reise zusammenzuwachsen und den Wert quasifamiliären Zusammenhalts schätzen zu lernen.

Darin jedoch übernimmt sich der Film. Er verlangt von den Charakteren Reifeprozesse und von den Schauspielern eine delikate Mischung von Komik und Gefühl – mit dem Ergebnis, dass die ohnehin schon spärliche Komik mit schwer erträglicher Sentimentalität unterwandert wird. Vor allem aber gerät die Balance aus Parodie und Formel aus dem Lot, denn in Bezug auf die familienfreundliche Moral bleibt „Wir sind die Millers“ bei allem Augenzwinkern affirmativ. So löst sich die ganze bemühte politische Unkorrektheit am Ende in beschwichtigender Harmlosigkeit auf: Ein Drogendealer ist immerhin kein Drogenkonsument und eine Stripperin ist keine Prostituierte, und alles ist gut, wenn wir uns nur alle lieb haben.

In 20 Kinos; OV im Cinemaxx Potsdamer Platz, Alhambra, Cineplex Spandau, Titania Palast, CineStar Sony Center

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