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David und Eitan Cunio sind Zwillinge und spielen die beiden Brüder, die im Film ein Mädchen aus reichem Hause entführen, um mit dem Lösegeld die Schulden der Eltern zu bezahlen.

© Filmcontact

Im Kino: Wut der Verzweiflung

Im Luftschutzkeller der Zivilisation: Tom Shovals Debütfilm „Youth“ erzählt von einer Jugend ohne Zukunft, dem verarmten Mittelstand in Israel und davon, wie der Nahostkonflikt auch den Alltag der Menschen vergiftet. Auf der Berlinale 2013 uraufgeführt, kommt "Youth" jetzt endlich ins Kino.

Yaki, der ältere Bruder, ist schon bei der Armee. Er hat eine Waffe und einen Plan, zusammen mit Shaul, dem jüngeren, der im Kino die Karten abreißt. Der Vater ist arbeitslos, die Minijobs der Mutter, Yakis Sold, es reicht vorne und hinten nicht. Die Wohnung in Petah Tikva, einem Vorort von Tel Aviv, können sie bald nicht mehr halten. Nur mühsam verbergen die Eltern ihre Verzweiflung.

Also entführen die Brüder eine Tochter aus reichem Hause. Zu Fuß, im Bus, eine dilettantische, planvoll improvisierte Aktion. Ein Mädchen mit Sonnenbrille über zugepflasterten Augen, ein Soldat mit Gewehr, das fällt in Israel niemandem auf. Mit dem Lösegeld wollen sie die Schulden der Eltern begleichen. Nur haben sie nicht damit gerechnet, dass die Familie des Opfers streng orthodox lebt und am Sabbat nicht ans Telefon geht ...

„Youth“ erzählt von der neuen Armut des israelischen Mittelstands, der Militarisierung der Jugend und der latenten Gewalt eines Landes im Unfrieden, die den Brüdern in den Knochen steckt. Jede Umarmung ein Gerangel, jeder Wortwechsel ein verbaler Kraftakt, jeder Satz von Flüchen durchsetzt. Die Kruste der Zivilisation ist dünn, zuhause bei den Eltern wird freundlich über die Existenznot geschwiegen, unten im Luftschutzkeller, wo die Brüder das Mädchen verstecken, drangsalieren sie ihr Opfer, brüllen, drohen, prügeln sich. Der Vater (der israelische Star Moshe Ivgy) rasiert ihnen die Haare kurz, zwei Krieger im Überlebenskampf, der eine wie eine tickende Bombe, der andere mit konsterniertem, lauerndem Blick. Die Gesichter der  Laiendarsteller David und Eitan Cunio - Zwillingsbrüder, die für den Dreh vom Militärdienst freigestellt wurden - kann man lesen wie ein offenes Buch.

Regisseur Tom Shoval ist selbst in Petah Tikva aufgewachsen, sein Debütfilm spielt in einer der heruntergekommenen Wohnsiedlungen der 50er Jahre. Entstanden vor dem Hintergrund der sozialen Unruhen nach den drastischen Reformen, die den Mittelstand in den Ruin und 2011 zu Tausenden auf die Straßen trieb, wurde die israelisch-deutsche Produktion 2013 auf der Berlinale uraufgeführt.

Am Ende bleibt nur die Kreditkarte des Mädchens. Aber es hilft wieder nichts. Die Brüder können nur 400 Schekel abheben, etwa 80 Euro, es ist ein Jugendkonto. Ein Hohn. In den besten Momenten wird „Youth“ zur schwarzen Komödie über die Heillosigkeit aller Konfliktlösungsversuche in Israel auch in der dritten, vierten Generation.

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