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Kultur: Im Laubschatten à la Pan

Die männliche Nacktheit und die freie Natur: Ganz von selbst ging das nicht zusammen, als Ende des 19.Jahrhunderts einige aus Deutschland stammende "Pioniere der Freilichtfotografie" nach Neapel und Sizilien aufbrachen, auf der Suche nach einem von der Moderne unberührten Leben.

Die männliche Nacktheit und die freie Natur: Ganz von selbst ging das nicht zusammen, als Ende des 19.Jahrhunderts einige aus Deutschland stammende "Pioniere der Freilichtfotografie" nach Neapel und Sizilien aufbrachen, auf der Suche nach einem von der Moderne unberührten Leben.Das "Natürliche" bedurfte der Hilfestellung durch die Kunst und die Aktfotografie der Legitimation durch eine ins Antike gewendete Szenerie.Die drei jungen Männer, die Wilhelm von Gloeden auf der Aussichts-Terrasse von Taormina oder auf steilen Felsen im Gebirge ablichtete, waren mit Panflöten, Bändern im Haar, Halsketten und hingestreuten Blumen ausgerüstet, ihre Posen der Malerei entliehen.

Anders als in den Bildern von Hans von Marées oder Max Klinger war die fotografische Inszenierung als solche erkennbar.Ihre Liebhaber werden damals nicht weniger als heute um den Abstand zwischen arkadischem Spiel und der Wirklichkeit im armen Südeuropa gewußt haben.Gerade aus dieser Ambivalenz beziehen sie ihre Spannung, mischt sich in das schwärmerische Ideal doch auch eine Vorstellung von der Verfügbarkeit der Modelle.3000 DM bis 6500 DM kosten die Abzüge auf Albuminpapier.

Auf diese theatralischen und heute bisweilen komisch anmutenden Inszenierungen wollte sich der Galerist Bodo Niemann nicht beschränken, als er eine Sammlung mit Bildern von Wilhelm von Gloeden, Guglielmo Plüschow und Vincenzo Galdi zum Verkauf angeboten bekam.Ihn interessierten mehr die Porträts dieser Fotografen, die sich auf einen intensiveren Dialog mit dem Gegenüber einlassen.Die besten von ihnen wirken wie eine Ankündigung des Neorealismus und der Antiken-Adaptionen von Pasolini, der mit der Differenz zwischen dem Sein von Laienschauspielern und ihrer Rolle die Defizite der Gegenwart markierte.So ist es nicht verwunderlich, daß in den 70er Jahren die Bilder von Gloeden wiederentdeckt und in den Kunstkontext gebracht wurden.

Um die Ecke von Bodo Niemann hat eine zweite Fotogalerie in den Hackeschen Höfen eröffnet, unter der Geschäftsführung von Elke Niemann: "Picture : Perfect" stellt sich mit dem Klassiker Herbert Tobias vor.Auch sein Erfolg begann außerhalb Deutschlands, Anfang der 50er Jahre in Paris.Dazu gehörten poetische Stilleben, die den Betrachter sofort für die leisen Töne empfänglich machen.Ein Balkon, schmal wie ein Handtuch, ein ans Geländer gebundener Blumentopf, zwei tapfer grünende Blätter am einsamen Stengel, dahinter das Hotel-Schild mit herausrutschenden Buchstaben: Da denkt man sich Bett, Kaffeeduft und die Stadt mit all ihren Versprechungen für den Tag gleich dazu.

Für dieses erzählerische Talent fand Tobias auch im Nachkriegsdeutschland reichlich Stoff.Ob er eine Coca-Cola-Reklame fotografierte, die durch eine von Bomben gerissene Lücke hinter einem Berg Briketts aufscheint, oder das Passanten-Gedrängel auf dem Kudamm, das wiedergewonnene Leben wurde von ihm gefeiert.Seinen Bildern fehlt das Verbitterte einer in Verlustschmerz verharrenden Gesellschaft.Eher genießt er die Unordnung wie die Kinder, die in den Trümmerlandschaften die größten Abenteuerspielplätze der Welt fanden.

Mit den Sehnsuchtsbildern der Deutsch-Italiener Gloeden, Plüschow und Galdi verbinden Herbert Tobias die Porträts junger Männer, die das homosexuelle Begehren nicht selten zur großen Passion verklären.Einer lehnt sich in der Pose des Gekreuzigten an ein Holzkreuz, ein anderer liegt im Laubschatten à la Pan.Aber diesmal ist es die Lust an der Selbststilisierung und am Bekenntnis zum großen Gefühl, die aus den Inszenierungen überspringt.Man kann nicht anders, man hält die Porträtierten mindestens für einen Freund des Fotografen und das Bild für ein Geschenk.

Seit 1986 befindet sich das Archiv von Herbert Tobias in der Fotografischen Sammlung der Berlinischen Galerie, die zuletzt 1994 den 70.Geburtstag zum Anlaß für eine Einzelausstellung nahm.Vergessen war Tobias nie: Seine Liaison mit dem Glamour der Mode und sein Gespür für die obsessive Ausstrahlung von Männern wie Klaus Kinski und Andreas Baader, die er schon vor ihren berühmt-berüchtigten Karrieren porträtierte, macht ihn schon zu Lebzeiten zu einer Instanz in der Welt der Prominenz.

Galerie Bodo Niemann, Rosenthaler Straße 40/41, Hackesche Höfe VI, bis 16.Januar; Dienstag bis Freitag 13-19 Uhr, Sonnabend 12-18 Uhr, 24.-26.12.und 31.12./ 1.1.geschlossen.Picture : Perfect, Rosenthaler Straße 40/41, Hackesche Höfe IV, bis 30.Januar; Mittwoch bis Freitag 12-19 Uhr, Sonnabend 12-18 Uhr, 24.-28.12.und 31.12./ 1.1.geschlossen.

KATRIN BETTINA MÜLLER

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