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Im Innern bedroht. In der zum Weltkulturerbe zählenden Djingareyber-Moschee von 1325 vernichteten die Islamisten in Timbuktu zwei weitere Heiligengräber. Foto:p-a/africamediaon

© picture-alliance / africamediaon

Kultur: Im Namen des Allmächtigen

Fundamentalismus und Volksglaube: Die Moslem-Rebellen in Mali zerstören weiter Weltkulturerbe.

Die menschlichen Tragödien wiegen schwerer. Mindestens 175 Jungen sind von den rivalisierenden Bürgerkriegstruppen in Mali zwangsrekrutiert worden, Kinder werden getötet oder verstümmelt, Mädchen vergewaltigt, wie Unicef meldet. Zehntausende sind auf der Flucht. Aber die fortgesetzte Zerstörung der 1988 zum Weltkulturerbe erklärten Lehmbauten durch islamistische Rebellen in der Wüstenstadt Timbuktu mag als symbolisches Fanal für alle diese Opfer des Krieges stehen. Am Dienstag machten sich die radikalen Muslime des Al-Qaida-Zweigs Ansar Dine daran, zwei weitere Mausoleen in der großen Djingareyber-Moschee mit Hacken und Meißeln zu vernichten. In Timbuktu gibt es drei große, mittelalterliche Moscheen.

Anfang Mai hatten die fundamentalistischen Wahhabisten damit begonnen, die Zeugnisse der Songhai-Epoche, des goldenen islamischen Zeitalters im 15. und 16. Jahrhundert zu attackieren. Sie lehnen Heiligenverehrung ab und damit die in Timbuktu gepflegte Volksreligion, in der der Marabut, das Heiligengrab, der Moschee ebenbürtig ist. Die Hälfte der kulturell bedeutenden 16 Mausoleen haben sie mittlerweile zerstört, trotz internationaler Proteste. Dass die Islamisten auch die Moscheen selbst demolieren, hält Peter Junge, Leiter der Afrika-Abteilung im Ethnologischen Museum in Berlin-Dahlem, für unwahrscheinlich. Es geht ihnen um die Heiligengräber, um lokale Traditionen, die in ihren Augen blasphemisch sind. Deshalb öffneten sie vor einer Woche auch jene Tür an der Sidi-Yahia-Moschee, die dem Volksglauben nach bis zum Jüngsten Tag geschlossen bleiben muss.

Und: „Es ist eine Geste gegenüber uns Europäern. Die Rebellen wissen, wie sehr der Westen sich über die Zerstörung von Kulturgütern empört. Sie wollen auch uns klar machen, wer jetzt in Mali das Sagen hat“, sagt Junge. Timbuktu war vor 500 Jahren ein Knotenpunkt der Transsahara-Handelsstraßen, was man bis heute etwa an der marokkanisch beeinflussten Fensterbauweise sehen kann. Auch gehörte die Metropole mit ihrer bedeutenden Universität zu den wichtigsten Stätten der islamischen Welt, neben Mekka, Medina und Jerusalem. Obendrein finden sich gebaute Kulturdenkmäler eher spärlich in der Sahara-Zone. Sonst, so Junge, fallen afrikanischen Kriegen vor allem bewegliche Kulturschätze zum Opfer. Museen werden geplündert, wie in Angola oder Guinea-Bissau in den 90er Jahren .

„Lehm ist in der Savanne das traditionelle Baumaterial, die Steinbauten in Timbuktu sind mit herangetragenem Material errichtet“, sagt Junge, der selbst einmal dort war. Wobei die Lehmbauten nach jeder Regenzeit ausgebessert werden. „Man muss sie permanent reparieren, ihre Oberfläche immer wiederherstellen.“ Daher die Holzpfosten, die den Bauten ihr bienenwaben-ähnliches Aussehen verleihen. „Es sind integrierte Gerüste, an denen man für Ausbesserungsarbeiten hochklettern kann.“ Inzwischen ist es in Timbuktu aber so trocken, dass die Gebäude halbwegs stabil sind. Anders als bei der 500 Kilometer südlich gelegenen großen Moschee von Djenné, dem bedeutendsten Lehmziegel-Bauwerk: Dort brachte der Regen erst kürzlich einen der drei großen Türme zum Einsturz. Auch hier wird wieder aufgebaut.

Die Männer von Ansar Dine, die Timbuktu gemeinsam mit Tuareg-Rebellen belagern, gehen brutaler ans Werk als jede Regenzeit; sie rücken der Substanz der Gebäude zuleibe. Schon vor zwei Monaten kündigten sie an, alle Grabmäler „ohne Ausnahme“ vernichten zu wollen. Von der Zerstörung der Buddha-Statuen im afghanischen Bamyan erfuhr die Weltöffentlichkeit erst hinterher. Diesmal geschieht es vor aller Augen, dass Islamisten islamische Schätze vernichten.

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