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Kultur: Iman Humaidan

Manchmal überkommt mich das Schreiben mitten in dunkler Nacht, die mehr sieht als ich ertragen kann. Wenn ich dann am Morgen das Geschriebene lese, ist es, als hätte eine andere es geschrieben, die Frau, die ich war an flüchtigen Orten, die Frau, die am Unort schreibt.

Manchmal überkommt mich das Schreiben mitten in dunkler Nacht, die mehr sieht als ich ertragen kann. Wenn ich dann am Morgen das Geschriebene lese, ist es, als hätte eine andere es geschrieben, die Frau, die ich war an flüchtigen Orten, die Frau, die am Unort schreibt. Vielleicht hat mich ja der Krieg diese Art zu schreiben gelehrt– aus dem Unsein einen Ort für mein Schreiben zu machen. Stundenlang habe ich im Auto gewartet, um die Grenzlinie zwischen Ostbeirut und Westbeirut zu passieren. Wartend habe ich zu schreiben begonnen, darauf wartend, durchgelassen oder von der Kugel eines Heckenschützen getroffen zu werden. Ich bewegte mich ein paar Meter weiter und wurde von einem Bewaffneten angehalten. Dann schrieb ich wieder. So wurde mein erster Roman geboren. Vielleicht ist ja Schreiben genau das: Geburt aus dem Schoß des Unorts, während man an einem Übergang wartet.

Iman Humaidan Junis, 1956 im drusischen Teil des Libanon geboren, ist Soziologin, Journalistin und Erzählerin. Im Lenos Verlag ist ihr Roman „Wilde Maulbeeren“ erschienen. Sie lebt in Beirut.( 7.9., 19.30 Uhr, Foyer im Haus der Berliner Festspiele)

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