zum Hauptinhalt

Kultur: Immer auf die Wiese

Keet Und Brand Ein Haus. Ein Presskopf.

Keet Und Brand Ein Haus. Ein Presskopf. Nur manchmal kocht Keet Nieren. Keet sieht aus, als hätte sie ihr ganzes Leben Presskopf gegessen. Das, so will uns Alex van Warmerdam sagen, ist nicht wahr. Der Film dient dem Nachweis dieser These.

Also: Keet und Brand. Ein Haus . . . Brand spielt übrigens Warmerdam selbst, Keet ist Annet Malherbe, seine Frau. Das Glück von Keet und Brand ist so offenliegend und überschaubar wie die holländische Tiefebene vorm Haus. Ganz ohne Delle. Den Rest der Handlung verantwortet das holländische Fernsehen. Denn es sendet Filme immer in Originalsprache. Weshalb Keet Brand täglich Untertitel vorliest. Bis sie eine Idee hat: Brand muss selbst lesen lernen!

Muss Brand? Und was lernt Brand noch? Jeder ahnt, dass "Little Tony" furchtbar endet. Nur von welcher Seite der Schrecken naht, weiß man bei Warmerdam nie. Und wer ist "Little Tony"? Kommt das Verhängnis mit Lena, der Lehrerin aus der Stadt? Lena, bei deren Anblick Brand keinen klaren Buchstaben fassen kann. - Man stelle sich den Regisseur Warmerdam (der auch das Buch schrieb, produzierte und den Schnitt besorgte) als eine Art holländischen Hitchcock vor, der es langweilig findet, immer nur Hitchcock zu sein. Also macht er zwischen dem "suspense" viele andere Dinge. Etwa ein Schaf auf der Wiese fotografieren mit jener detektivischen, ins Monströse weisenden Aufmerksamkeit, wie Hitchcock manchmal einen Lichteinfall im halbgeöffneten Fenster zeigte. Oder Zuschauer quälen. Und die eigenen Figuren. Überhaupt die Grenzen des Geschmacks erkunden. Und natürlich das Schädelinnere eines Bauern, der sich nie etwas anderes wünschte als einen vorgelesenen Western im Fernsehen und neben sich seine Presskopffrau. Plötzlich wünscht er sich Lena. Lena isst übrigens keinen Presskopf. Da haben wir schon den Bergman-Einsatz. Warmerdam ist auch ein hervorragender Bergman. Warum sollte das klaustrophobische, unentrinnbare Psychodrama immer nur in Schweden stattfinden? Warum kann der tödliche Kampf um Anerkennung nicht am Presskopf entbrennen?

Die Frage ist, wohin können Menschen Menschen bringen. Nur interessiert sich Warmerdam ganz anders dafür als Bergman. Also vor allem nicht wirklich. Gewiss hat er den Film einfach um die streng geheimzuhaltende Schlussszene herumgebaut. Eine Einstellung von so bemerkenswerter Bosheit, dass wir sicher sein können, in Warmerdam - wie meist bei Zynikern, Schwarzsehern und Misanthropen aller Art - einen der friedfertigsten Menschen überhaupt vor uns zu haben. Und dass "Noorderlingen" und "De Jurk" doch schöner waren als "Little Tony", wollen wir auch um dieses genial-hundsgemeinen Schlusses willen gar nicht erst erwähnen.Filmbühne am Steinplatz, fsk am Oranienplatz und Hackesche Höfe (jeweils untertitelte

Originalfassung)

K. D.

Zur Startseite